| Faust: Der Tragoedie erster Teil |
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| Johann Wolfgang von Goethe |
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| Zueignung. |
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| Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten, |
| Die frueh sich einst dem trueben Blick gezeigt. |
| Versuch ich wohl, euch diesmal festzuhalten? |
| Fuehl ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt? |
| Ihr draengt euch zu! nun gut, so moegt ihr walten, |
| Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt; |
| Mein Busen fuehlt sich jugendlich erschuettert |
| Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert. |
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| Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage, |
| Und manche liebe Schatten steigen auf; |
| Gleich einer alten, halbverklungnen Sage |
| Kommt erste Lieb und Freundschaft mit herauf; |
| Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage |
| Des Lebens labyrinthisch irren Lauf, |
| Und nennt die Guten, die, um schoene Stunden |
| Vom Glueck getaeuscht, vor mir hinweggeschwunden. |
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| Sie hoeren nicht die folgenden Gesaenge, |
| Die Seelen, denen ich die ersten sang; |
| Zerstoben ist das freundliche Gedraenge, |
| Verklungen, ach! der erste Widerklang. |
| Mein Lied ertoent der unbekannten Menge, |
| Ihr Beifall selbst macht meinem Herzen bang, |
| Und was sich sonst an meinem Lied erfreuet, |
| Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerstreuet. |
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| Und mich ergreift ein laengst entwoehntes Sehnen |
| Nach jenem stillen, ernsten Geisterreich, |
| Es schwebet nun in unbestimmten Toenen |
| Mein lispelnd Lied, der aeolsharfe gleich, |
| Ein Schauer fass mich, Traene folgt den Traenen, |
| Das strenge Herz, es fuehlt sich mild und weich; |
| Was ich besitze, seh ich wie im Weiten, |
| Und was verschwand, wird mir zu Wirklichkeiten. |
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| Vorspiel auf dem Theater |
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| Direktor. Theatherdichter. Lustige Person: |
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| DIREKTOR: |
| Ihr beiden, die ihr mir so oft, |
| In Not und Truebsal, beigestanden, |
| Sagt, was ihr wohl in deutschen Landen |
| Von unsrer Unternehmung hofft? |
| Ich wuenschte sehr der Menge zu behagen, |
| Besonders weil sie lebt und leben laess. |
| Die Pfosten sind, die Bretter aufgeschlagen, |
| Und jedermann erwartet sich ein Fest. |
| Sie sitzen schon mit hohen Augenbraunen |
| Gelassen da und moechten gern erstaunen. |
| Ich weiss wie man den Geist des Volks versoehnt; |
| Doch so verlegen bin ich nie gewesen: |
| Zwar sind sie an das Beste nicht gewoehnt, |
| Allein sie haben schrecklich viel gelesen. |
| Wie machen wir's, dassalles frisch und neu |
| Und mit Bedeutung auch gefaellig sei? |
| Denn freilich mag ich gern die Menge sehen, |
| Wenn sich der Strom nach unsrer Bude draengt, |
| Und mit gewaltig wiederholten Wehen |
| Sich durch die enge Gnadenpforte zwaengt; |
| Bei hellem Tage, schon vor vieren, |
| Mit Stoessn sich bis an die Kasse ficht |
| Und, wie in Hungersnot um Brot an Baeckertueren, |
| Um ein Billet sich fast die Haelse bricht. |
| Dies Wunder wirkt auf so verschiedne Leute |
| Der Dichter nur; mein Freund, o tu es heute! |
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| DICHTER: |
| O sprich mir nicht von jener bunten Menge, |
| Bei deren Anblick uns der Geist entflieht. |
| Verhuelle mir das wogende Gedraenge, |
| Das wider Willen uns zum Strudel zieht. |
| Nein, fuehre mich zur stillen Himmelsenge, |
| Wo nur dem Dichter reine Freude blueht; |
| Wo Lieb und Freundschaft unsres Herzens Segen |
| Mit Goetterhand erschaffen und erpflegen. |
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| Ach! was in tiefer Brust uns da entsprungen, |
| Was sich die Lippe schuechtern vorgelallt, |
| Missaten jetzt und jetzt vielleicht gelungen, |
| Verschlingt des wilden Augenblicks Gewalt. |
| Oft, wenn es erst durch Jahre durchgedrungen, |
| Erscheint es in vollendeter Gestalt. |
| Was glaenzt, ist fuer den Augenblick geboren, |
| Das Echte bleibt der Nachwelt unverloren. |
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| LUSTIGE PERSON: |
| Wenn ich nur nichts von Nachwelt hoeren sollte. |
| Gesetzt, dassich von Nachwelt reden wollte, |
| Wer machte denn der Mitwelt Spass |
| Den will sie doch und soll ihn haben. |
| Die Gegenwart von einem braven Knaben |
| Ist, daecht ich, immer auch schon was. |
| Wer sich behaglich mitzuteilen weiss |
| Den wird des Volkes Laune nicht erbittern; |
| Er wuenscht sich einen grossn Kreis, |
| Um ihn gewisser zu erschuettern. |
| Drum seid nur brav und zeigt euch musterhaft, |
| Lass Phantasie, mit allen ihren Choeren, |
| Vernunft, Verstand, Empfindung, Leidenschaft, |
| Doch, merkt euch wohl! nicht ohne Narrheit hoeren. |
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| DIREKTOR: |
| Besonders aber lass genug geschehn! |
| Man kommt zu schaun, man will am liebsten sehn. |
| Wird vieles vor den Augen abgesponnen, |
| So dassdie Menge staunend gaffen kann, |
| Da habt Ihr in der Breite gleich gewonnen, |
| Ihr seid ein vielgeliebter Mann. |
| Die Masse koennt Ihr nur durch Masse zwingen, |
| Ein jeder sucht sich endlich selbst was aus. |
| Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen; |
| Und jeder geht zufrieden aus dem Haus. |
| Gebt Ihr ein Stueck, so gebt es gleich in Stuecken! |
| Solch ein Ragout, es mussEuch gluecken; |
| Leicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht. |
| Was hilft's, wenn Ihr ein Ganzes dargebracht? |
| Das Publikum wird es Euch doch zerpfluecken. |
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| DICHTER: |
| Ihr fuehlet nicht, wie schlecht ein solches Handwerk sei! |
| Wie wenig das dem echten Kuenstler zieme! |
| Der saubern Herren Pfuscherei |
| Ist. merk ich. schon bei Euch Maxime. |
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| DIREKTOR: |
| Ein solcher Vorwurf laess mich ungekraenkt: |
| Ein Mann, der recht zu wirken denkt, |
| Mussauf das beste Werkzeug halten. |
| Bedenkt, Ihr habet weiches Holz zu spalten, |
| Und seht nur hin, fuer wen Ihr schreibt! |
| Wenn diesen Langeweile treibt, |
| Kommt jener satt vom uebertischten Mahle, |
| Und, was das Allerschlimmste bleibt, |
| Gar mancher kommt vom Lesen der Journale. |
| Man eilt zerstreut zu uns, wie zu den Maskenfesten, |
| Und Neugier nur befluegelt jeden Schritt; |
| Die Damen geben sich und ihren Putz zum besten |
| Und spielen ohne Gage mit. |
| Was traeumet Ihr auf Eurer Dichterhoehe? |
| Was macht ein volles Haus Euch froh? |
| Beseht die Goenner in der Naehe! |
| Halb sind sie kalt, halb sind sie roh. |
| Der, nach dem Schauspiel, hofft ein Kartenspiel, |
| Der eine wilde Nacht an einer Dirne Busen. |
| Was plagt ihr armen Toren viel, |
| Zu solchem Zweck, die holden Musen? |
| Ich sag Euch, gebt nur mehr und immer, immer mehr, |
| So koennt Ihr Euch vom Ziele nie verirren |
| Sucht nur die Menschen zu verwirren, |
| Sie zu befriedigen, ist schwer-- |
| Was faellt Euch an? Entzueckung oder Schmerzen? |
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| DICHTER: |
| Geh hin und such dir einen andern Knecht! |
| Der Dichter sollte wohl das hoechste Recht, |
| Das Menschenrecht, das ihm Natur vergoennt, |
| Um deinetwillen freventlich verscherzen! |
| Wodurch bewegt er alle Herzen? |
| Wodurch besiegt er jedes Element? |
| Ist es der Einklang nicht, der aus dem Busen dringt, |
| Und in sein Herz die Welt zuruecke schlingt? |
| Wenn die Natur des Fadens ew'ge Laenge, |
| Gleichgueltig drehend, auf die Spindel zwingt, |
| Wenn aller Wesen unharmon'sche Menge |
| Verdriessich durcheinander klingt- |
| Wer teilt die fliessnd immer gleiche Reihe |
| Belebend ab, dasssie sich rhythmisch regt? |
| Wer ruft das Einzelne zur allgemeinen Weihe, |
| Wo es in herrlichen Akkorden schlaegt? |
| Wer laess den Sturm zu Leidenschaften wueten? |
| Das Abendrot im ernsten Sinne gluehn? |
| Wer schuettet alle schoenen Fruehlingsblueten |
| Auf der Geliebten Pfade hin? |
| Wer flicht die unbedeutend gruenen Blaetter |
| Zum Ehrenkranz Verdiensten jeder Art? |
| Wer sichert den Olymp? vereinet Goetter? |
| Des Menschen Kraft, im Dichter offenbart. |
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| LUSTIGE PERSON: |
| So braucht sie denn, die schoenen Kraefte |
| Und treibt die dichtrischen Geschaefte |
| Wie man ein Liebesabenteuer treibt. |
| Zufaellig naht man sich, man fuehlt, man bleibt |
| Und nach und nach wird man verflochten; |
| Es waechst das Glueck, dann wird es angefochten |
| Man ist entzueckt, nun kommt der Schmerz heran, |
| Und eh man sich's versieht, ist's eben ein Roman. |
| Lass uns auch so ein Schauspiel geben! |
| Greift nur hinein ins volle Menschenleben! |
| Ein jeder lebt's, nicht vielen ist's bekannt, |
| Und wo ihr's packt, da ist's interessant. |
| In bunten Bildern wenig Klarheit, |
| Viel Irrtum und ein Fuenkchen Wahrheit, |
| So wird der beste Trank gebraut, |
| Der alle Welt erquickt und auferbaut. |
| Dann sammelt sich der Jugend schoenste Bluete |
| Vor eurem Spiel und lauscht der Offenbarung, |
| Dann sauget jedes zaertliche Gemuete |
| Aus eurem Werk sich melanchol'sche Nahrung, |
| Dann wird bald dies, bald jenes aufgeregt |
| Ein jeder sieht, was er im Herzen traegt. |
| Noch sind sie gleich bereit, zu weinen und zu lachen, |
| Sie ehren noch den Schwung, erfreuen sich am Schein; |
| Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen; |
| Ein Werdender wird immer dankbar sein. |
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| DICHTER: |
| So gib mir auch die Zeiten wieder, |
| Da ich noch selbst im Werden war, |
| Da sich ein Quell gedraengter Lieder |
| Ununterbrochen neu gebar, |
| Da Nebel mir die Welt verhuellten, |
| Die Knospe Wunder noch versprach, |
| Da ich die tausend Blumen brach, |
| Die alle Taeler reichlich fuellten. |
| Ich hatte nichts und doch genug: |
| Den Drang nach Wahrheit und die Lust am Trug. |
| Gib ungebaendigt jene Triebe, |
| Das tiefe, schmerzenvolle Glueck, |
| Des Hasses Kraft, die Macht der Liebe, |
| Gib meine Jugend mir zurueck! |
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| LUSTIGE PERSON: |
| Der Jugend, guter Freund, bedarfst du allenfalls, |
| Wenn dich in Schlachten Feinde draengen, |
| Wenn mit Gewalt an deinen Hals |
| Sich allerliebste Maedchen haengen, |
| Wenn fern des schnellen Laufes Kranz |
| Vom schwer erreichten Ziele winket, |
| Wenn nach dem heft'gen Wirbeltanz |
| Die Naechte schmausend man vertrinket. |
| Doch ins bekannte Saitenspiel |
| Mit Mut und Anmut einzugreifen, |
| Nach einem selbstgesteckten Ziel |
| Mit holdem Irren hinzuschweifen, |
| Das, alte Herrn, ist eure Pflicht, |
| Und wir verehren euch darum nicht minder. |
| Das Alter macht nicht kindisch, wie man spricht, |
| Es findet uns nur noch als wahre Kinder. |
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| DIREKTOR: |
| Der Worte sind genug gewechselt, |
| Lass mich auch endlich Taten sehn! |
| Indes ihr Komplimente drechselt, |
| Kann etwas Nuetzliches geschehn. |
| Was hilft es, viel von Stimmung reden? |
| Dem Zaudernden erscheint sie nie. |
| Gebt ihr euch einmal fuer Poeten, |
| So kommandiert die Poesie. |
| Euch ist bekannt, was wir beduerfen, |
| Wir wollen stark Getraenke schluerfen; |
| Nun braut mir unverzueglich dran! |
| Was heute nicht geschieht, ist morgen nicht getan, |
| Und keinen Tag soll man verpassen, |
| Das Moegliche soll der EntschlussBeherzt sogleich beim Schopfe fassen, |
| Er will es dann nicht fahren lassen |
| Und wirket weiter, weil er muss |
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| Ihr wiss, auf unsern deutschen Buehnen |
| Probiert ein jeder, was er mag; |
| Drum schonet mir an diesem Tag |
| Prospekte nicht und nicht Maschinen. |
| Gebraucht das gross und kleine Himmelslicht, |
| Die Sterne duerfet ihr verschwenden; |
| An Wasser, Feuer, Felsenwaenden, |
| An Tier und Voegeln fehlt es nicht. |
| So schreitet in dem engen Bretterhaus |
| Den ganzen Kreis der Schoepfung aus, |
| Und wandelt mit bedaecht'ger Schnelle |
| Vom Himmel durch die Welt zur Hoelle. |
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| Prolog im Himmel. |
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| Der Herr. Die himmlischen Heerscharen. Nachher Mephistopheles. |
| Die drei Erzengel treten vor. |
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| RAPHAEL: |
| Die Sonne toent, nach alter Weise, |
| In Brudersphaeren Wettgesang, |
| Und ihre vorgeschriebne Reise |
| Vollendet sie mit Donnergang. |
| Ihr Anblick gibt den Engeln Staerke, |
| Wenn keiner Sie ergruenden mag; |
| die unbegreiflich hohen Werke |
| Sind herrlich wie am ersten Tag. |
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| GABRIEL: |
| Und schnell und unbegreiflich schnelle |
| Dreht sich umher der Erde Pracht; |
| Es wechselt Paradieseshelle |
| Mit tiefer, schauervoller Nacht. |
| Es schaeumt das Meer in breiten Fluessen |
| Am tiefen Grund der Felsen auf, |
| Und Fels und Meer wird fortgerissen |
| Im ewig schnellem Sphaerenlauf. |
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| MICHAEL: |
| Und Stuerme brausen um die Wette |
| Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer, |
| und bilden wuetend eine Kette |
| Der tiefsten Wirkung rings umher. |
| Da flammt ein blitzendes Verheeren |
| Dem Pfade vor des Donnerschlags. |
| Doch deine Boten, Herr, verehren |
| Das sanfte Wandeln deines Tags. |
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| ZU DREI: |
| Der Anblick gibt den Engeln Staerke, |
| Da keiner dich ergruenden mag, |
| Und alle deine hohen Werke |
| Sind herrlich wie am ersten Tag. |
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| MEPHISTOPHELES: |
| Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst |
| Und fragst, wie alles sich bei uns befinde, |
| Und du mich sonst gewoehnlich gerne sahst, |
| So siehst du mich auch unter dem Gesinde. |
| Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen, |
| Und wenn mich auch der ganze Kreis verhoehnt; |
| Mein Pathos braechte dich gewisszum Lachen, |
| Haettst du dir nicht das Lachen abgewoehnt. |
| Von Sonn' und Welten weissich nichts zu sagen, |
| Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen. |
| Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag, |
| Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag. |
| Ein wenig besser wuerd er leben, |
| Haettst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben; |
| Er nennt's Vernunft und braucht's allein, |
| Nur tierischer als jedes Tier zu sein. |
| Er scheint mir, mit Verlaub von euer Gnaden, |
| Wie eine der langbeinigen Zikaden, |
| Die immer fliegt und fliegend springt |
| Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt; |
| Und laeg er nur noch immer in dem Grase! |
| In jeden Quark begraebt er seine Nase. |
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| DER HERR: |
| Hast du mir weiter nichts zu sagen? |
| Kommst du nur immer anzuklagen? |
| Ist auf der Erde ewig dir nichts recht? |
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| MEPHISTOPHELES: |
| Nein Herr! ich find es dort, wie immer, herzlich schlecht. |
| Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen, |
| Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen. |
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| DER HERR: |
| Kennst du den Faust? |
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| MEPHISTOPHELES: |
| Den Doktor? |
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| DER HERR: |
| Meinen Knecht! |
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| MEPHISTOPHELES: |
| Fuerwahr! er dient Euch auf besondre Weise. |
| Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise. |
| Ihn treibt die Gaerung in die Ferne, |
| Er ist sich seiner Tollheit halb bewuss; |
| Vom Himmel fordert er die schoensten Sterne |
| Und von der Erde jede hoechste Lust, |
| Und alle Naeh und alle Ferne |
| Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust. |
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| DER HERR: |
| Wenn er mir auch nur verworren dient, |
| So werd ich ihn bald in die Klarheit fuehren. |
| Weissdoch der Gaertner, wenn das Baeumchen gruent, |
| Das Bluet und Frucht die kuenft'gen Jahre zieren. |
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| MEPHISTOPHELES: |
| Was wettet Ihr? den sollt Ihr noch verlieren! |
| Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt, |
| Ihn meine Strass sacht zu fuehren. |
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| DER HERR: |
| Solang er auf der Erde lebt, |
| So lange sei dir's nicht verboten, |
| Es irrt der Mensch so lang er strebt. |
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| MEPHISTOPHELES: |
| Da dank ich Euch; denn mit den Toten |
| Hab ich mich niemals gern befangen. |
| Am meisten lieb ich mir die vollen, frischen Wangen. |
| Fuer einem Leichnam bin ich nicht zu Haus; |
| Mir geht es wie der Katze mit der Maus. |
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| DER HERR: |
| Nun gut, es sei dir ueberlassen! |
| Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab, |
| Und fuehr ihn, kannst du ihn erfassen, |
| Auf deinem Wege mit herab, |
| Und steh beschaemt, wenn du bekennen muss: |
| Ein guter Mensch, in seinem dunklen Drange, |
| Ist sich des rechten Weges wohl bewuss. |
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| MEPHISTOPHELES: |
| Schon gut! nur dauert es nicht lange. |
| Mir ist fuer meine Wette gar nicht bange. |
| Wenn ich zu meinem Zweck gelange, |
| Erlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust. |
| Staub soll er fressen, und mit Lust, |
| Wie meine Muhme, die beruehmte Schlange. |
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| DER HERR: |
| Du darfst auch da nur frei erscheinen; |
| Ich habe deinesgleichen nie gehass. |
| Von allen Geistern, die verneinen, |
| ist mir der Schalk am wenigsten zur Last. |
| Des Menschen Taetigkeit kann allzu leicht erschlaffen, |
| er liebt sich bald die unbedingte Ruh; |
| Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu, |
| Der reizt und wirkt und mussals Teufel schaffen. |
| Doch ihr, die echten Goettersoehne, |
| Erfreut euch der lebendig reichen Schoene! |
| Das Werdende, das ewig wirkt und lebt, |
| Umfass euch mit der Liebe holden Schranken, |
| Und was in schwankender Erscheinung schwebt, |
| Befestigt mit dauernden Gedanken! |
| (Der Himmel schliess, die Erzengel verteilen sich.) |
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| MEPHISTOPHELES (allein): |
| Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern, |
| Und huete mich, mit ihm zu brechen. |
| Es ist gar huebsch von einem grossn Herrn, |
| So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen. |
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| FAUST: Der Tragoedie erster Teil |
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| Nacht. |
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| In einem hochgewoelbten, engen gotischen Zimmer Faust, |
| unruhig auf seinem Sessel am Pulte. |
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| FAUST: |
| Habe nun, ach! Philosophie, |
| Juristerei und Medizin, |
| Und leider auch Theologie |
| Durchaus studiert, mit heissm Bemuehn. |
| Da steh ich nun, ich armer Tor! |
| Und bin so klug als wie zuvor; |
| Heiss Magister, heiss Doktor gar |
| Und ziehe schon an die zehen Jahr |
| Herauf, herab und quer und krumm |
| Meine Schueler an der Nase herum- |
| Und sehe, dasswir nichts wissen koennen! |
| Das will mir schier das Herz verbrennen. |
| Zwar bin ich gescheiter als all die Laffen, |
| Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen; |
| Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel, |
| Fuerchte mich weder vor Hoelle noch Teufel- |
| Dafuer ist mir auch alle Freud entrissen, |
| Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen, |
| Bilde mir nicht ein, ich koennte was lehren, |
| Die Menschen zu bessern und zu bekehren. |
| Auch hab ich weder Gut noch Geld, |
| Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt; |
| Es moechte kein Hund so laenger leben! |
| Drum hab ich mich der Magie ergeben, |
| Ob mir durch Geistes Kraft und Mund |
| Nicht manch Geheimnis wuerde kund; |
| Dassich nicht mehr mit saurem SchweissZu sagen brauche, was ich nicht weiss |
| Dassich erkenne, was die Welt |
| Im Innersten zusammenhaelt, |
| Schau alle Wirkenskraft und Samen, |
| Und tu nicht mehr in Worten kramen. |
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| O saehst du, voller Mondenschein, |
| Zum letzenmal auf meine Pein, |
| Den ich so manche Mitternacht |
| An diesem Pult herangewacht: |
| Dann ueber Buechern und Papier, |
| Truebsel'ger Freund, erschienst du mir! |
| Ach! koennt ich doch auf Bergeshoehn |
| In deinem lieben Lichte gehn, |
| Um Bergeshoehle mit Geistern schweben, |
| Auf Wiesen in deinem Daemmer weben, |
| Von allem Wissensqualm entladen, |
| In deinem Tau gesund mich baden! |
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| Weh! steck ich in dem Kerker noch? |
| Verfluchtes dumpfes Mauerloch, |
| Wo selbst das liebe Himmelslicht |
| Trueb durch gemalte Scheiben bricht! |
| Beschraenkt mit diesem Buecherhauf, |
| den Wuerme nagen, Staub bedeckt, |
| Den bis ans hohe Gewoelb hinauf |
| Ein angeraucht Papier umsteckt; |
| Mit Glaesern, Buechsen rings umstellt, |
| Mit Instrumenten vollgepfropft, |
| Urvaeter Hausrat drein gestopft- |
| Das ist deine Welt! das heiss eine Welt! |
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| Und fragst du noch, warum dein Herz |
| Sich bang in deinem Busen klemmt? |
| Warum ein unerklaerter Schmerz |
| Dir alle Lebensregung hemmt? |
| Statt der lebendigen Natur, |
| Da Gott die Menschen schuf hinein, |
| Umgibt in Rauch und Moder nur |
| Dich Tiergeripp und Totenbein. |
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| Flieh! auf! hinaus ins weite Land! |
| Und dies geheimnisvolle Buch, |
| Von Nostradamus' eigner Hand, |
| Ist dir es nicht Geleit genug? |
| Erkennest dann der Sterne Lauf, |
| Und wenn Natur dich Unterweist, |
| Dann geht die Seelenkraft dir auf, |
| Wie spricht ein Geist zum andren Geist. |
| Umsonst, dasstrocknes Sinnen hier |
| Die heil'gen Zeichen dir erklaert: |
| Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir; |
| Antwortet mir, wenn ihr mich hoert! |
| (Er schlaegt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus.) |
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| Ha! welche Wonne fliess in diesem Blick |
| Auf einmal mir durch alle meine Sinnen! |
| Ich fuehle junges, heil'ges Lebensglueck |
| Neugluehend mir durch Nerv' und Adern rinnen. |
| War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb, |
| Die mir das innre Toben stillen, |
| Das arme Herz mit Freude fuellen, |
| Und mit geheimnisvollem Trieb |
| Die Kraefte der Natur rings um mich her enthuellen? |
| Bin ich ein Gott? Mir wird so licht! |
| Ich schau in diesen reinen Zuegen |
| Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen. |
| Jetzt erst erkenn ich, was der Weise spricht: |
| "Die Geisterwelt ist nicht verschlossen; |
| Dein Sinn ist zu, dein Herz ist tot! |
| Auf, bade, Schueler, unverdrossen |
| Die ird'sche Brust im Morgenrot!" |
| (er beschaut das Zeichen.) |
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| Wie alles sich zum Ganzen webt, |
| Eins in dem andern wirkt und lebt! |
| Wie Himmelskraefte auf und nieder steigen |
| Und sich die goldnen Eimer reichen! |
| Mit segenduftenden Schwingen |
| Vom Himmel durch die Erde dringen, |
| Harmonisch all das All durchklingen! |
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| Welch Schauspiel! Aber ach! ein Schauspiel nur! |
| Wo fass ich dich, unendliche Natur? |
| Euch Brueste, wo? Ihr Quellen alles Lebens, |
| An denen Himmel und Erde haengt, |
| Dahin die welke Brust sich draengt- |
| Ihr quellt, ihr traenkt, und schmacht ich so vergebens? |
| (er schlaegt unwillig das Buch um und erblickt das Zeichen des Erdgeistes.) |
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| Wie anders wirkt dies Zeichen auf mich ein! |
| Du, Geist der Erde, bist mir naeher; |
| Schon fuehl ich meine Kraefte hoeher, |
| Schon glueh ich wie von neuem Wein. |
| Ich fuehle Mut, mich in die Welt zu wagen, |
| Der Erde Weh, der Erde Glueck zu tragen, |
| Mit Stuermen mich herumzuschlagen |
| Und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen. |
| Es woelkt sich ueber mir- |
| Der Mond verbirgt sein Licht- |
| Die Lampe schwindet! |
| Es dampft! Es zucken rote Strahlen |
| Mir um das Haupt- Es weht |
| Ein Schauer vom Gewoelb herab |
| Und fass mich an! |
| Ich fuehl's, du schwebst um mich, erflehter Geist |
| Enthuelle dich! |
| Ha! wie's in meinem Herzen reiss! |
| Zu neuen Gefuehlen |
| All meine Sinnen sich erwuehlen! |
| Ich fuehle ganz mein Herz dir hingegeben! |
| Du muss! du muss! und kostet es mein Leben! |
| (Er fass das Buch und spricht das Zeichen des Geistes geheimnisvoll aus. |
| Es zuckt eine roetliche Flamme, der Geist erscheint in der Flamme.) |
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| GEIST: |
| Wer ruft mir? |
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| FAUST (abgewendet): |
| Schreckliches Gesicht! |
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| GEIST: |
| Du hast mich maechtig angezogen, |
| An meiner Sphaere lang gesogen, |
| Und nun- |
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| FAUST: |
| Weh! ich ertrag dich nicht! |
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| GEIST: |
| Du flehst, eratmend mich zu schauen, |
| Meine Stimme zu hoeren, mein Antlitz zu sehn; |
| Mich neigt dein maechtig Seelenflehn, |
| Da bin ich!- Welch erbaermlich Grauen |
| Fass uebermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf? |
| Wo ist die Brust, die eine Welt in sich erschuf |
| Und trug und hegte, die mit Freudebeben |
| Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben? |
| Wo bist du, Faust, des Stimme mir erklang, |
| Der sich an mich mit allen Kraeften drang? |
| Bist du es, der, von meinem Hauch umwittert, |
| In allen Lebenslagen zittert, |
| Ein furchtsam weggekruemmter Wurm? |
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| FAUST: |
| Soll ich dir, Flammenbildung, weichen? |
| Ich bin's, bin Faust, bin deinesgleichen! |
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| GEIST: |
| In Lebensfluten, im Tatensturm |
| Wall ich auf und ab, |
| Wehe hin und her! |
| Geburt und Grab, |
| Ein ewiges Meer, |
| Ein wechselndes Wehen, |
| Ein gluehend Leben, |
| So schaff ich am laufenden Webstuhl der Zeit |
| Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid. |
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| FAUST: |
| Der du die weite Welt umschweifst, |
| Geschaeftiger Geist, wie nah fuehl ich mich dir! |
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| GEIST: |
| Du gleichst dem Geist, den du begreifst, |
| Nicht mir! |
| (verschwindet) |
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| FAUST (zusammenstuerzend): |
| Nicht dir? |
| Wem denn? |
| Ich Ebenbild der Gottheit! |
| Und nicht einmal dir! |
| (es klopft) |
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| O Tod! ich kenn's- das ist mein Famulus- |
| Es wird mein schoenstes Glueck zunichte! |
| Dassdiese Fuelle der Geschichte |
| Der trockne Schleicher stoeren muss |
| (Wagner im Schlafrock und der Nachtmuetze, eine Lampe in der Hand. |
| Faust wendet sich unwillig.) |
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| WAGNER: |
| Verzeiht! ich hoer euch deklamieren; |
| Ihr last gewissein griechisch Trauerspiel? |
| In dieser Kunst moecht ich was profitieren, |
| Denn heutzutage wirkt das viel. |
| Ich hab es oefters ruehmen hoeren, |
| Ein Komoediant koennt einen Pfarrer lehren. |
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| FAUST: |
| Ja, wenn der Pfarrer ein Komoediant ist; |
| Wie das denn wohl zuzeiten kommen mag. |
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| WAGNER: |
| Ach! wenn man so in sein Museum gebannt ist, |
| Und sieht die Welt kaum einen Feiertag, |
| Kaum durch ein Fernglas, nur von weitem, |
| Wie soll man sie durch ueberredung leiten? |
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| FAUST: |
| Wenn ihr's nicht fuehlt, ihr werdet's nicht erjagen, |
| Wenn es nicht aus der Seele dringt |
| Und mit urkraeftigem Behagen |
| Die Herzen aller Hoerer zwingt. |
| Sitzt ihr nur immer! leimt zusammen, |
| Braut ein Ragout von andrer Schmaus |
| Und blast die kuemmerlichen Flammen |
| Aus eurem Aschenhaeuschen 'raus! |
| Bewundrung von Kindern und Affen, |
| Wenn euch darnach der Gaumen steht- |
| Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen, |
| Wenn es euch nicht von Herzen geht. |
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| WAGNER: |
| Allein der Vortrag macht des Redners Glueck; |
| Ich fuehl es wohl, noch bin ich weit zurueck. |
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| FAUST: |
| Such Er den redlichen Gewinn! |
| Sei Er kein schellenlauter Tor! |
| Es traegt Verstand und rechter Sinn |
| Mit wenig Kunst sich selber vor! |
| Und wenn's euch Ernst ist, was zu sagen, |
| Ist's noetig, Worten nachzujagen? |
| Ja, eure Reden, die so blinkend sind, |
| In denen ihr der Menschheit Schnitzel kraeuselt, |
| Sind unerquicklich wie der Nebelwind, |
| Der herbstlich durch die duerren Blaetter saeuselt! |
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| WAGNER: |
| Ach Gott! die Kunst ist lang; |
| Und kurz ist unser Leben. |
| Mir wird, bei meinem kritischen Bestreben, |
| Doch oft um Kopf und Busen bang. |
| Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben, |
| Durch die man zu den Quellen steigt! |
| Und eh man nur den halben Weg erreicht, |
| Musswohl ein armer Teufel sterben. |
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| FAUST: |
| Das Pergament, ist das der heil'ge Bronnen, |
| Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt? |
| Erquickung hast du nicht gewonnen, |
| Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt. |
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| WAGNER: |
| Verzeiht! es ist ein grossErgetzen, |
| Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen; |
| Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht, |
| Und wie wir's dann zuletzt so herrlich weit gebracht. |
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| FAUST: |
| O ja, bis an die Sterne weit! |
| Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit |
| Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln. |
| Was ihr den Geist der Zeiten heiss, |
| Das ist im Grund der Herren eigner Geist, |
| In dem die Zeiten sich bespiegeln. |
| Da ist's denn wahrlich oft ein Jammer! |
| Man laeuft euch bei dem ersten Blick davon. |
| Ein Kehrichtfassund eine Rumpelkammer |
| Und hoechstens eine Haupt- und Staatsaktion |
| Mit trefflichen pragmatischen Maximen, |
| Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen! |
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| WAGNER: |
| Allein die Welt! des Menschen Herz und Geist! |
| Moecht jeglicher doch was davon erkennen. |
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| FAUST: |
| Ja, was man so erkennen heiss! |
| Wer darf das Kind beim Namen nennen? |
| Die wenigen, die was davon erkannt, |
| Die toericht g'nug ihr volles Herz nicht wahrten, |
| Dem Poebel ihr Gefuehl, ihr Schauen offenbarten, |
| Hat man von je gekreuzigt und verbrannt. |
| Ich bitt Euch, Freund, es ist tief in der Nacht, |
| Wir muessen's diesmal unterbrechen. |
| |
| WAGNER: |
| Ich haette gern nur immer fortgewacht, |
| Um so gelehrt mit Euch mich zu besprechen. |
| Doch morgen, als am ersten Ostertage, |
| Erlaubt mir ein' und andre Frage. |
| Mit Eifer hab' ich mich der Studien beflissen; |
| Zwar weissich viel, doch moecht' ich alles wissen. |
| (Ab.) |
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| FAUST (allein): |
| Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet, |
| Der immerfort an schalem Zeuge klebt, |
| Mit gier'ger Hand nach Schaetzen graebt, |
| Und froh ist, wenn er Regenwuermer findet! |
| |
| Darf eine solche Menschenstimme hier, |
| Wo Geisterfuelle mich umgab, ertoenen? |
| Doch ach! fuer diesmal dank ich dir, |
| Dem aermlichsten von allen Erdensoehnen. |
| Du rittest mich von der Verzweiflung los, |
| Die mir die Sinne schon zerstoeren wollte. |
| Ach! die Erscheinung war so riesengross |
| Dassich mich recht als Zwerg empfinden sollte. |
| |
| Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schon |
| Ganz nah geduenkt dem Spiegel ew'ger Wahrheit, |
| Sein selbst genossin Himmelsglanz und Klarheit, |
| Und abgestreift den Erdensohn; |
| Ich, mehr als Cherub, dessen freie Kraft |
| Schon durch die Adern der Natur zu fliessn |
| Und, schaffend, Goetterleben zu geniessn |
| Sich ahnungsvoll vermass wie mussich's buessn! |
| Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft. |
| |
| Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen; |
| Hab ich die Kraft dich anzuziehn besessen, |
| So hatt ich dich zu halten keine Kraft. |
| Zu jenem sel'gen Augenblicke |
| Ich fuehlte mich so klein, so gross |
| Du stiessst grausam mich zurueck, |
| Ins ungewisse Menschenlos. |
| Wer lehret mich? was soll ich meiden? |
| Soll ich gehorchen jenem Drang? |
| Ach! unsre Taten selbst, so gut als unsre Leiden, |
| Sie hemmen unsres Lebens Gang. |
| |
| Dem Herrlichsten, was auch der Geist empfangen, |
| Draengt immer fremd und fremder Stoff sich an; |
| Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen, |
| Dann heiss das Besse Trug und Wahn. |
| Die uns das Leben gaben, herrliche Gefuehle |
| Erstarren in dem irdischen Gewuehle. |
| |
| Wenn Phantasie sich sonst mit kuehnem Flug |
| Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert, |
| So ist ein kleiner Raum ihr genug, |
| Wenn Glueck auf Glueck im Zeitenstrudel scheitert. |
| Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen, |
| Dort wirket sie geheime Schmerzen, |
| Unruhig wiegt sie sich und stoeret Luft und Ruh; |
| Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu, |
| Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen, |
| Als Feuer, Wasser, Dolch und Gift; |
| Du bebst vor allem, was nicht trifft, |
| Und was du nie verlierst, das muss du stets beweinen. |
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| Den Goettern gleich ich nicht! zu tief ist es gefuehlt; |
| Dem Wurme gleich ich, der den Staub durchwuehlt, |
| Den, wie er sich im Staube naehrend lebt, |
| Des Wandrers Tritt vernichtet und begraebt. |
| |
| Ist es nicht Staub, was diese hohe Wand |
| Aus hundert Faechern mit verenget? |
| Der Troedel, der mit tausendfachem Tand |
| In dieser Mottenwelt mich draenget? |
| Hier soll ich finden, was mir fehlt? |
| Soll ich vielleicht in tausend Buechern lesen, |
| Dassueberall die Menschen sich gequaelt, |
| Dasshie und da ein Gluecklicher gewesen?- |
| Was grinsest du mir, hohler Schaedel, her? |
| Als dassdein Hirn, wie meines, einst verwirret |
| Den leichten Tag gesucht und in der Daemmrung schwer, |
| Mit Luft nach Wahrheit, jaemmerlich geirret. |
| Ihr Instrumente freilich spottet mein, |
| Mit Rad und Kaemmen, Walz und Buegel: |
| Ich stand am Tor, ihr solltet Schluessel sein; |
| Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel. |
| Geheimnisvoll am lichten Tag |
| Laess sich Natur des Schleiers nicht berauben, |
| Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag, |
| Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben. |
| Du alt Geraete, das ich nicht gebraucht, |
| Du stehst nur hier, weil dich mein Vater brauchte. |
| Du alte Rolle, du wirst angeraucht, |
| Solang an diesem Pult die truebe Lampe schmauchte. |
| Weit besser haett ich doch mein Weniges verprass, |
| Als mit dem Wenigen belastet hier zu schwitzen! |
| Was du ererbt von deinem Vater hast, |
| Erwirb es, um es zu besitzen. |
| Was man nicht nuetzt, ist eine schwere Last, |
| Nur was der Augenblick erschafft, das kann er nuetzen. |
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| Doch warum heftet sich mein Blick auf jene Stelle? |
| Ist jenes Flaeschchen dort den Augen ein Magnet? |
| Warum wird mir auf einmal lieblich helle, |
| Als wenn im naecht'gen Wald uns Mondenglanz umweht? |
| |
| Ich gruess dich, du einzige Phiole, |
| Die ich mit Andacht nun herunterhole! |
| In dir verehr ich Menschenwitz und Kunst. |
| Du Inbegriff der holden Schlummersaefte, |
| Du Auszug aller toedlich feinen Kraefte, |
| Erweise deinem Meister deine Gunst! |
| Ich sehe dich, es wird der Schmerz gelindert, |
| Ich fasse dich, das Streben wird gemindert, |
| Des Geistes Flutstrom ebbet nach und nach. |
| Ins hohe Meer werd ich hinausgewiesen, |
| Die Spiegelflut erglaenzt zu meinen Fuessn, |
| Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag. |
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| Ein Feuerwagen schwebt, auf leichten Schwingen, |
| An mich heran! Ich fuehle mich bereit, |
| Auf neuer Bahn den aether zu durchdringen, |
| Zu neuen Sphaeren reiner Taetigkeit. |
| Dies hohe Leben, diese Goetterwonne! |
| Du, erst noch Wurm, und die verdienest du? |
| Ja, kehre nur der holden Erdensonne |
| Entschlossen deinen Ruecken zu! |
| Vermesse dich, die Pforten aufzureissn, |
| Vor denen jeder gern vorueberschleicht! |
| Hier ist es Zeit, durch Taten zu beweisen, |
| Das Manneswuerde nicht der Goetterhoehe weicht, |
| Vor jener dunkeln Hoehle nicht zu beben, |
| In der sich Phantasie zu eigner Qual verdammt, |
| Nach jenem Durchgang hinzustreben, |
| Um dessen engen Mund die ganze Hoelle flammt; |
| In diesem Schritt sich heiter zu entschliessn, |
| Und waer es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fliessn. |
| |
| Nun komm herab, kristallne reine Schale! |
| Hervor aus deinem alten Futterale, |
| An die ich viele Jahre nicht gedacht! |
| Du glaenzetst bei der Vaeter Freudenfeste, |
| Erheitertest die ernsten Gaeste, |
| Wenn einer dich dem andern zugebracht. |
| Der vielen Bilder kuenstlich reiche Pracht, |
| Des Trinkers Pflicht, sie reimweis zu erklaeren, |
| Auf einen Zug die Hoehlung auszuleeren, |
| Erinnert mich an manche Jugendnacht. |
| Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen, |
| Ich werde meinen Witz an deiner Kunst nicht zeigen. |
| Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht; |
| Mit brauner Flut erfuellt er deine Hoehle. |
| Den ich bereit, den ich waehle, |
| "Der letzte Trunk sei nun, mit ganzer Seele, |
| Als festlich hoher Gruss dem Morgen zugebracht! |
| (Er setzt die Schale an den Mund.) |
| Glockenklang und Chorgesang. |
| |
| CHOR DER ENGEL: |
| Christ ist erstanden! |
| Freude dem Sterblichen, |
| Den die verderblichen, |
| Schleichenden, erblichen |
| Maengel unwanden. |
| |
| FAUST: |
| Welch tiefes Summen, welch heller Ton |
| Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde? |
| Verkuendigt ihr dumpfen Glocken schon |
| Des Osterfestes erste Feierstunde? |
| Ihr Choere, singt ihr schon den troestlichen Gesang, |
| Der einst, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang, |
| Gewisseit einem neuen Bunde? |
| |
| CHOR DER WEIBER: |
| Mit Spezereien |
| Hatten wir ihn gepflegt, |
| Wir seine Treuen |
| Hatten ihn hingelegt; |
| Tuecher und Binden |
| Reinlich unwanden wir, |
| Ach! und wir finden |
| Christ nicht mehr hier. |
| |
| CHOR DER ENGEL: |
| Christ ist erstanden! |
| Selig der Liebende, |
| Der die betruebende, |
| Heilsam und uebende |
| Pruefung bestanden. |
| |
| FAUST: |
| Was sucht ihr, maechtig und gelind, |
| Ihr Himmelstoene, mich am Staube? |
| Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind. |
| Die Botschaft hoer ich wohl, allein mir fehlt der Glaube; |
| Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind. |
| Zu jenen Sphaeren wag ich nicht zu streben, |
| Woher die holde Nachricht toent; |
| Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewoehnt, |
| Ruft er auch jetzt zurueck mich in das Leben. |
| Sonst stuerzte sich der Himmelsliebe KussAuf mich herab in ernster Sabbatstille; |
| Da klang so ahnungsvoll des Glockentones Fuelle, |
| Und ein Gebet war bruenstiger Genuss |
| Ein unbegreiflich holdes Sehnen |
| Trieb mich, durch Wald und Wiesen hinzugehn, |
| Und unter tausend heissn Traenen |
| Fuehlt ich mir eine Welt entstehn. |
| Dies Lieb verkuendete der Jugend muntre Spiele, |
| Der Fruehlingsfeier freies Glueck; |
| Erinnrung haelt mich nun, mit kindlichem Gefuehle, |
| Vom letzten, ernsten Schritt zurueck. |
| O toenet fort, ihr suessn Himmelslieder! |
| Die Traene quillt, die Erde hat mich wieder! |
| |
| CHOR DER JueNGER: |
| Hat der Begrabene |
| Schon sich nach oben, |
| Lebend Erhabene, |
| Herrlich erhoben; |
| Ist er in Werdeluft |
| Schaffender Freude nah: |
| Ach! an der Erde Brust |
| Sind wir zum Leide da. |
| Liesser die Seinen |
| Schmachtend uns hier zurueck; |
| Ach! wir beweinen, |
| Meister, dein Glueck! |
| |
| CHOR DER ENGEL: |
| Christ ist erstanden, |
| Aus der Verwesung Schoss |
| Reisst von Banden |
| Freudig euch los! |
| Taetig ihn preisenden, |
| Liebe beweisenden, |
| Bruederlich speisenden, |
| Predigend reisenden, |
| Wonne verheissnden |
| Euch ist der Meister nah, |
| Euch ist er da! |
| |
| |
| |
| Vor dem Tor |
| |
| Spaziergaenger aller Art ziehen hinaus. |
| |
| |
| EINIGE HANDWERKSBURSCHE: |
| Warum denn dort hinaus? |
| |
| ANDRE: |
| Wir gehn hinaus aufs Jaegerhaus. |
| |
| DIE ERSTEN: |
| Wir aber wollen nach der Muehle wandern. |
| |
| EIN HANDWERKSBURSCH: |
| Ich rat euch, nach dem Wasserhof zu gehn. |
| |
| ZWEITER: |
| Der Weg dahin ist gar nicht schoen. |
| |
| DIE ZWEITEN: |
| Was tust denn du? |
| |
| EIN DRITTER: |
| Ich gehe mit den andern. |
| |
| VIERTER: |
| Nach Burgdorf kommt herauf, gewissdort findet ihr |
| Die schoensten Maedchen und das beste Bier, |
| Und Haendel von der ersten Sorte. |
| |
| FueNFTER: |
| Du ueberlustiger Gesell, |
| Juckt dich zum drittenmal das Fell? |
| Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte. |
| |
| DIENSTMaeDCHEN: |
| Nein, nein! ich gehe nach der Stadt zurueck. |
| |
| ANDRE: |
| Wir finden ihn gewissbei jenen Pappeln stehen. |
| |
| ERSTE: |
| Das ist fuer mich kein grosss Glueck; |
| Er wird an deiner Seite gehen, |
| Mit dir nur tanzt er auf dem Plan. |
| Was gehn mich deine Freuden an! |
| |
| ANDRE: |
| Heut ist er sicher nicht allein, |
| Der Krauskopf, sagt er, wuerde bei ihm sein. |
| |
| SCHUELER: |
| Blitz, wie die wackern Dirnen schreiten! |
| Herr Bruder, komm! wir muessen sie begleiten. |
| Ein starkes Bier, ein beizender Toback, |
| Und eine Magd im Putz, das ist nun mein Geschmack. |
| |
| BueRGERMaeDCHEN: |
| Da sieh mir nur die schoenen Knaben! |
| Es ist wahrhaftig eine Schmach: |
| Gesellschaft koennten sie die allerbeste haben, |
| Und laufen diesen Maegden nach! |
| ZWEITER SCHUELER (zum ersten): |
| Nicht so geschwind! dort hinten kommen zwei, |
| Sie sind gar niedlich angezogen, |
| 's ist meine Nachbarin dabei; |
| Ich bin dem Maedchen sehr gewogen. |
| Sie gehen ihren stillen Schritt |
| Und nehmen uns doch auch am Ende mit. |
| |
| ERSTER: |
| Herr Bruder, nein! Ich bin nicht gern geniert. |
| Geschwind! dasswir das Wildbret nicht verlieren. |
| Die Hand, die samstags ihren Besen fuehrt |
| Wird sonntags dich am besten karessieren. |
| |
| BueRGER: |
| Nein, er gefaellt mir nicht, der neue Burgemeister! |
| Nun, da er's ist, wird er nur taeglich dreister. |
| Und fuer die Stadt was tut denn er? |
| Wird es nicht alle Tage schlimmer? |
| Gehorchen soll man mehr als immer, |
| Und zahlen mehr als je vorher. |
| |
| BETTLER (singt): |
| Ihr guten Herrn, ihr schoenen Frauen, |
| So wohlgeputzt und backenrot, |
| Belieb es euch, mich anzuschauen, |
| Und seht und mildert meine Not! |
| Lass hier mich nicht vergebens leiern! |
| Nur der ist froh, der geben mag. |
| Ein Tag, den alle Menschen feiern, |
| Er sei fuer mich ein Erntetag. |
| |
| ANDRER BueRGER: |
| Nichts Bessers weissich mir an Sonn- und Feiertagen |
| Als ein Gespraech von Krieg und Kriegsgeschrei, |
| Wenn hinten, weit, in der Tuerkei, |
| Die Voelker aufeinander schlagen. |
| Man steht am Fenster, trinkt sein Glaeschen aus |
| Und sieht den Flusshinab die bunten Schiffe gleiten; |
| Dann kehrt man abends froh nach Haus, |
| Und segnet Fried und Friedenszeiten. |
| |
| DRITTER BueRGER: |
| Herr Nachbar, ja! so lassich's auch geschehn: |
| Sie moegen sich die Koepfe spalten, |
| Mag alles durcheinander gehn; |
| Doch nur zu Hause bleib's beim alten. |
| ALTE (zu den Buergermaedchen): |
| Ei! wie geputzt! das schoene junge Blut! |
| Wer soll sich nicht in euch vergaffen?- |
| Nur nicht so stolz! es ist schon gut! |
| Und was ihr wuenscht, das wuess ich wohl zu schaffen. |
| |
| BueRGERMaeDCHEN: |
| Agathe, fort! ich nehme mich in acht, |
| Mit solchen Hexen oeffentlich zu gehen; |
| Sie liessmich zwar in Sankt Andreas' Nacht |
| Den kuenft'gen Liebsten leiblich sehen- |
| DIE ANDRE: |
| Mir zeigte sie ihn im Kristall, |
| Soldatenhaft, mit mehreren Verwegnen; |
| Ich seh mich um, ich such ihn ueberall, |
| Allein mir will er nicht begegnen. |
| |
| SOLDATEN: |
| Burgen mit hohen |
| Mauern und Zinnen, |
| Maedchen mit stolzen |
| Hoehnenden Sinnen |
| Moecht ich gewinnen! |
| Kuehn ist das Muehen, |
| Herrlich der Lohn! |
| |
| Und die Trompete |
| Lassen wir werben, |
| Wie zu der Freude, |
| So zum Verderben. |
| Das ist ein Stuermen! |
| Das ist ein Leben! |
| Maedchen und Burgen |
| Muessen sich geben. |
| Kuehn ist das Muehen, |
| Herrlich der Lohn! |
| Und die Soldaten |
| Ziehen davon. |
| |
| |
| Faust und Wagner. |
| |
| FAUST: |
| Vom Eise befreit sind Strom und Baeche |
| Durch des Fruehlings holden, belebenden Blick; |
| Im Tale gruenet Hoffnungsglueck; |
| Der alte Winter, in seiner Schwaeche, |
| Zog sich in rauhe Berge zurueck. |
| Von dorther sendet er, fliehend, nur |
| Ohnmaechtige Schauer kornigen Eises |
| In Streifen ueber die gruenende Flur; |
| Aber die Sonne duldet kein Weisss, |
| ueberall regt sich Bildung und Streben, |
| Alles will sie mit Farben beleben; |
| Doch an Blumen fehlt's im Revier |
| Sie nimmt geputzte Menschen dafuer. |
| Kehre dich um, von diesen Hoehen |
| Nach der Stadt zurueckzusehen. |
| Aus dem hohlen finstern Tor |
| Dringt ein buntes Gewimmel hervor. |
| Jeder sonnt sich heute so gern. |
| Sie feiern die Auferstehung des Herrn, |
| Denn sie sind selber auferstanden, |
| Aus niedriger Haeuser dumpfen Gemaechern, |
| Aus Handwerks- und Gewerbesbanden, |
| Aus dem Druck von Giebeln und Daechern, |
| Aus der Strassn quetschender Enge, |
| Aus der Kirchen ehrwuerdiger Nacht |
| Sind sie alle ans Licht gebracht. |
| Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge |
| Durch die Gaerten und Felder zerschlaegt, |
| Wie der Fluss in Breit und Laenge |
| So manchen lustigen Nachen bewegt, |
| Und bis zum Sinken ueberladen |
| Entfernt sich dieser letzte Kahn. |
| Selbst von des Berges fernen Pfaden |
| Blinken uns farbige Kleider an. |
| Ich hoere schon des Dorfs Getuemmel, |
| Hier ist des Volkes wahrer Himmel, |
| Zufrieden jauchzet grossund klein: |
| Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein! |
| |
| WAGNER: |
| Mit Euch, Herr Doktor, zu spazieren |
| Ist ehrenvoll und ist Gewinn; |
| Doch wuerd ich nicht allein mich her verlieren, |
| Weil ich ein Feind von allem Rohen bin. |
| Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben |
| Ist mir ein gar verhasser Klang; |
| Sie toben wie vom boesen Geist getrieben |
| Und nennen's Freude. nennen's Gesang. |
| |
| |
| Bauern unter der Linde. Tanz und Gesang. |
| |
| Der Schaefer putzte sich zum Tanz, |
| Mit bunter Jacke, Band und Kranz, |
| Schmuck war er angezogen. |
| Schon um die Linde war es voll, |
| Und alles tanzte schon wie toll. |
| Juchhe! Juchhe! |
| Juchheisa! Heisa! He! |
| So ging der Fiedelbogen. |
| |
| Er drueckte hastig sich heran, |
| Da stiesser an ein Maedchen an |
| Mit seinem Ellenbogen; |
| Die frische Dirne kehrt, sich um |
| Und sagte: Nun, das find ich dumm! |
| Juchhe! Juchhe! |
| Juchheisa! Heisa! He! |
| Seid nicht so ungezogen! |
| |
| Doch hurtig in dem Kreise ging's, |
| Sie tanzten rechts, sie tanzten links, |
| Und alle Roecke flogen. |
| Sie wurden rot, sie wurden warm |
| Und ruhten atmend Arm in Arm, |
| Juchhe! Juchhe! |
| Juchheisa! Heisa! He! |
| Und Hueft an Ellenbogen. |
| |
| Und tu mir doch nicht so vertraut! |
| Wie mancher hat nicht seine Braut |
| Belogen und betrogen! |
| Er schmeichelte sie doch bei Seit, |
| Und von der Linde scholl es weit: |
| Juchhe! Juchhe! |
| Juchheisa! Heisa! He! |
| Geschrei und Fiedelbogen. |
| |
| ALTER BAUER: |
| Herr Doktor, das ist schoen von Euch, |
| DassIhr uns heute nicht verschmaeht, |
| Und unter dieses Volksgedraeng, |
| Als ein so Hochgelahrter, geht. |
| So nehmet auch den schoensten Krug, |
| Den wir mit frischem Trunk gefuellt, |
| Ich bring ihn zu und wuensche laut, |
| Dasser nicht nur den Durst Euch stillt: |
| Die Zahl der Tropfen, die er hegt, |
| Sei Euren Tagen zugelegt. |
| |
| FAUST: |
| Ich nehme den Erquickungstrank |
| Enwidr' euch allen Heil und Dank. |
| (Das Volk sammelt sich im Kreis umher.) |
| |
| ALTER BAUER: |
| Fuerwahr, es ist sehr wohl getan, |
| DassIhr am frohen Tag erscheint; |
| Habt Ihr es vormals doch mit uns |
| An boesen Tagen gut gemeint! |
| Gar mancher steht lebendig hier |
| Den Euer Vater noch zuletzt |
| Der heissn Fieberwut entriss |
| Als er der Seuche Ziel gesetzt. |
| Auch damals Ihr, ein junger Mann, |
| Ihr gingt in jedes Krankenhaus, |
| Gar manche Leiche trug man fort, |
| Ihr aber kamt gesund heraus, |
| Bestandet manche harte Proben; |
| Dem Helfer half der Helfer droben. |
| |
| ALLE: |
| Gesundheit dem bewaehrten Mann, |
| Dasser noch lange helfen kann! |
| |
| FAUST: |
| Vor jenem droben steht gebueckt, |
| Der helfen lehrt und Huelfe schickt. |
| (Er geht mit Wagnern weiter.) |
| |
| WAGNER: |
| Welch ein Gefuehl muss du, o grossr Mann, |
| Bei der Verehrung dieser Menge haben! |
| O gluecklich, wer von seinen Gaben |
| Solch einen Vorteil ziehen kann! |
| Der Vater zeigt dich seinem Knaben, |
| Ein jeder fragt und draengt und eilt, |
| Die Fiedel stockt, der Taenzer weilt. |
| Du gehst, in Reihen stehen sie, |
| Die Muetzen fliegen in die Hoeh; |
| Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie, |
| Als kaem das Venerabile. |
| |
| FAUST: |
| Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein, |
| Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten. |
| Hier sassich oft gedankenvoll allein |
| Und quaelte mich mit Beten und mit Fasten. |
| An Hoffnung reich, im Glauben fest, |
| Mit Traenen, Seufzen, Haenderingen |
| Dacht ich das Ende jener Pest |
| Vom Herrn des Himmels zu erzwingen. |
| Der Menge Beifall toent mir nun wie Hohn. |
| O koenntest du in meinem Innern lesen, |
| Wie wenig Vater und Sohn |
| Solch eines Ruhmes wert gewesen! |
| Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann, |
| Der ueber die Natur und ihre heil'gen Kreise |
| In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise, |
| Mit grillenhafter Muehe sann; |
| Der, in Gesellschaft von Adepten, |
| Sich in die schwarze Kueche schloss |
| Und, nach unendlichen Rezepten, |
| Das Widrige zusammengoss |
| Da ward ein roter Leu, ein kuehner Freier, |
| Im lauen Bad der Lilie vermaehlt, |
| Und beide dann mit offnem Flammenfeuer |
| Aus einem Brautgemach ins andere gequaelt. |
| Erschien darauf mit bunten Farben |
| Die junge Koenigin im Glas, |
| Hier war die Arzenei, die Patienten starben, |
| Und niemand fragte: wer genas? |
| So haben wir mit hoellischen Latwergen |
| In diesen Taelern, diesen Bergen |
| Weit schlimmer als die Pest getobt. |
| Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben: |
| Sie welkten hin, ich musserleben, |
| Dassman die frechen Moerder lobt. |
| |
| WAGNER: |
| Wie koennt Ihr Euch darum betrueben! |
| Tut nicht ein braver Mann genug, |
| Die Kunst, die man ihm uebertrug, |
| Gewissenhaft und puenktlich auszuueben? |
| Wenn du als Juengling deinen Vater ehrst, |
| So wirst du gern von ihm empfangen; |
| Wenn du als Mann die Wissenschaft vermehrst, |
| So kann dein Sohn zu hoehrem Ziel gelangen. |
| |
| FAUST: |
| O gluecklich, wer noch hoffen kann, |
| Aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen! |
| Was man nicht weiss das eben brauchte man, |
| Und was man weiss kann man nicht brauchen. |
| Doch lassuns dieser Stunde schoenes Gut |
| Durch solchen Truebsinn nicht verkuemmern! |
| Betrachte, wie in Abendsonne-Glut |
| Die gruenumgebnen Huetten schimmern. |
| Sie rueckt und weicht, der Tag ist ueberlebt, |
| Dort eilt sie hin und foerdert neues Leben. |
| O dasskein Fluegel mich vom Boden hebt |
| Ihr nach und immer nach zu streben! |
| Ich saeh im ewigen Abendstrahl |
| Die stille Welt zu meinen Fuessn, |
| Entzuendet alle Hoehn beruhigt jedes Tal, |
| Den Silberbach in goldne Stroeme fliessn. |
| Nicht hemmte dann den goettergleichen Lauf |
| Der wilde Berg mit allen seinen Schluchten; |
| Schon tut das Meer sich mit erwaermten Buchten |
| Vor den erstaunten Augen auf. |
| Doch scheint die Goettin endlich wegzusinken; |
| Allein der neue Trieb erwacht, |
| Ich eile fort, ihr ew'ges Licht zu trinken, |
| Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht, |
| Den Himmel ueber mir und unter mir die Wellen. |
| Ein schoener Traum, indessen sie entweicht. |
| Ach! zu des Geistes Fluegeln wird so leicht |
| Kein koerperlicher Fluegel sich gesellen. |
| Doch ist es jedem eingeboren |
| Dasssein Gefuehl hinauf und vorwaerts dringt, |
| Wenn ueber uns, im blauen Raum verloren, |
| Ihr schmetternd Lied die Lerche singt; |
| Wenn ueber schroffen Fichtenhoehen |
| Der Adler ausgebreitet schwebt, |
| Und ueber Flaechen, ueber Seen |
| Der Kranich nach der Heimat strebt. |
| |
| WAGNER: |
| Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden, |
| Doch solchen Trieb hab ich noch nie empfunden. |
| Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt; |
| Des Vogels Fittich werd ich nie beneiden. |
| Wie anders tragen uns die Geistesfreuden |
| Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt! |
| Da werden Winternaechte hold und schoen |
| Ein selig Leben waermet alle Glieder, |
| Und ach! entrollst du gar ein wuerdig Pergamen, |
| So steigt der ganze Himmel zu dir nieder. |
| |
| FAUST: |
| Du bist dir nur des einen Triebs bewuss, |
| O lerne nie den andern kennen! |
| Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, |
| Die eine will sich von der andern trennen; |
| Die eine haelt, in derber Liebeslust, |
| Sich an die Welt mit klammernden Organen; |
| Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust |
| Zu den Gefilden hoher Ahnen. |
| O gibt es Geister in der Luft, |
| Die zwischen Erd und Himmel herrschend weben |
| So steiget nieder aus dem goldnen Duft |
| Und fuehrt mich weg zu neuem, buntem Leben! |
| Ja, waere nur ein Zaubermantel mein, |
| Und trueg er mich in fremde Laender! |
| Mir sollt er um die koestlichsten Gewaender, |
| Nicht feil um einen Koenigsmantel sein. |
| |
| WAGNER: |
| Berufe nicht die wohlbekannte Schar, |
| Die stroemend sich im Dunstkreis ueberbreitet, |
| Dem Menschen tausendfaeltige Gefahr, |
| Von allen Enden her, bereitet. |
| Von Norden dringt der scharfe Geisterzahn |
| Auf dich herbei, mit pfeilgespitzten Zungen; |
| Von Morgen ziehn, vertrocknend, sie heran, |
| Und naehren sich von deinen Lungen; |
| Wenn sie der Mittag aus der Wueste schickt, |
| Die Glut auf Glut um deinen Scheitel haeufen |
| So bringt der West den Schwarm, der erst erquickt, |
| Um dich und Feld und Aue zu ersaeufen. |
| Sie hoeren gern, zum Schaden froh gewandt, |
| Gehorchen gern, weil sie uns gern betruegen; |
| Sie stellen wie vom Himmel sich gesandt, |
| Und lispeln englisch, wenn sie luegen. |
| Doch gehen wir! Ergraut ist schon die Welt, |
| Die Luft gekuehlt, der Nebel faellt! |
| Am Abend schaetzt man erst das Haus.- |
| Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus? |
| Was kann dich in der Daemmrung so ergreifen? |
| |
| FAUST: |
| Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen? |
| |
| WAGNER: |
| Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir. |
| |
| FAUST: |
| Betracht ihn recht! fuer was haeltst du das Tier? |
| |
| WAGNER: |
| Fuer einen Pudel, der auf seine Weise |
| Sich auf der Spur des Herren plagt. |
| |
| FAUST: |
| Bemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise |
| Er um uns her und immer naeher jagt? |
| Und irr ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel |
| Auf seinen Pfaden hinterdrein. |
| |
| WAGNER: |
| Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel; |
| Es mag bei Euch wohl Augentaeuschung sein. |
| |
| FAUST: |
| Mir scheint es, dasser magisch leise Schlingen |
| Zu kuenft'gem Band um unsre Fuess zieht. |
| |
| WAGNER: |
| Ich seh ihn ungewissund furchtsam uns umspringen, |
| Weil er, statt seines Herrn, zwei Unbekannte sieht. |
| |
| FAUST: |
| Der Kreis wird eng, schon ist er nah! |
| |
| WAGNER: |
| Du siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da. |
| Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch, |
| Er wedelt. Alles Hundebrauch. |
| |
| FAUST: |
| Geselle dich zu uns! Komm hier! |
| |
| WAGNER: |
| Es ist ein pudelnaerrisch Tier. |
| Du stehest still, er wartet auf; |
| Du sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf; |
| Verliere was, er wird es bringen, |
| Nach deinem Stock ins Wasser springen. |
| |
| FAUST: |
| Du hast wohl recht; ich finde nicht die Spur |
| Von einem Geist, und alles ist Dressur. |
| |
| WAGNER: |
| Dem Hunde, wenn er gut gezogen, |
| Wird selbst ein weiser Mann gewogen. |
| Ja, deine Gunst verdient er ganz und gar, |
| Er, der Studenten trefflicher Skolar. |
| (Sie gehen in das Stadttor.) |
| |
| |
| |
| Studierzimmer |
| |
| Faust mit dem Pudel hereintretend. |
| |
| |
| FAUST: |
| Verlassen hab ich Feld und Auen, |
| Die eine tiefe Nacht bedeckt, |
| Mit ahnungsvollem, heil'gem Grauen |
| In uns die besse Seele weckt. |
| Entschlafen sind nun wilde Triebe |
| Mit jedem ungestuemen Tun; |
| Es reget sich die Menschenliebe, |
| Die Liebe Gottes regt sich nun. Sei ruhig, Pudel! renne nicht hin und |
| wider! |
| An der Schwelle was schnoperst du hier? |
| Lege dich hinter den Ofen nieder, |
| Mein bestes Kissen geb ich dir. |
| Wie du draussn auf dem bergigen Wege |
| Durch Rennen und Springen ergetzt uns hast, |
| So nimm nun auch von mir die Pflege, |
| Als ein willkommner stiller Gast. Ach wenn in unsrer engen Zelle |
| Die Lampe freundlich wieder brennt, |
| Dann wird's in unserm Busen helle, |
| Im Herzen, das sich selber kennt. |
| Vernunft faengt wieder an zu sprechen, |
| Und Hoffnung wieder an zu bluehn, |
| Man sehnt sich nach des Lebens Baechen, |
| Ach! nach des Lebens Quelle hin. Knurre nicht, Pudel! Zu den heiligen |
| Toenen, |
| Die jetzt meine ganze Seel umfassen, |
| Will der tierische Laut nicht passen. |
| Wir sind gewohnt, dassdie Menschen verhoehnen, |
| Was sie nicht verstehn, |
| Dasssie vor dem Guten und Schoenen, |
| Das ihnen oft beschwerlich ist, murren; |
| Will es der Hund, wie sie, beknurren? |
| |
| Aber ach! schon fuehl ich, bei dem besten Willen, |
| Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen. |
| Aber warum mussder Strom so bald versiegen, |
| Und wir wieder im Durste liegen? |
| Davon hab ich so viel Erfahrung. |
| Doch dieser Mangel laess sich ersetzen, |
| Wir lernen das ueberirdische schaetzen, |
| Wir sehnen uns nach Offenbarung, |
| Die nirgends wuerd'ger und schoener brennt |
| Als in dem Neuen Testament. |
| Mich draengt's, den Grundtext aufzuschlagen, |
| Mit redlichem Gefuehl einmal |
| Das heilige Original |
| In mein geliebtes Deutsch zu uebertragen, |
| (Er schlaegt ein Volum auf und schickt sich an.) |
| |
| Geschrieben steht: "Im Anfang war das Wort!" |
| Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort? |
| Ich kann das Wort so hoch unmoeglich schaetzen, |
| Ich musses anders uebersetzen, |
| Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin. |
| Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn. |
| Bedenke wohl die erste Zeile, |
| Dassdeine Feder sich nicht uebereile! |
| Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft? |
| Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft! |
| Doch, auch indem ich dieses niederschreibe, |
| Schon warnt mich was, dassich dabei nicht bleibe. |
| Mir hilft der Geist! Auf einmal seh ich Rat |
| Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat! |
| |
| Soll ich mit dir das Zimmer teilen, |
| Pudel, so lassdas Heulen, |
| So lassdas Bellen! |
| Solch einen stoerenden Gesellen |
| Mag ich nicht in der Naehe leiden. |
| Einer von uns beiden |
| Mussdie Zelle meiden. |
| Ungern heb ich das Gastrecht auf, |
| Die Tuer ist offen, hast freien Lauf. |
| Aber was mussich sehen! |
| Kann das natuerlich geschehen? |
| Ist es Schatten? ist's Wirklichkeit? |
| Wie wird mein Pudel lang und breit! |
| Er hebt sich mit Gewalt, |
| Das ist nicht eines Hundes Gestalt! |
| Welch ein Gespenst bracht ich ins Haus! |
| Schon sieht er wie ein Nilpferd aus, |
| Mit feurigen Augen, schrecklichem Gebiss |
| Oh! du bist mir gewiss |
| Fuer solche halbe Hoellenbrut |
| Ist Salomonis Schluessel gut. |
| GEISTER (auf dem Gange): |
| Drinnen gefangen ist einer! |
| Bleibet haussn, folg ihm keiner! |
| Wie im Eisen der Fuchs, |
| Zagt ein alter Hoellenluchs. |
| Aber gebt acht! |
| Schwebet hin, schwebet wider, |
| Auf und nieder, |
| Und er hat sich losgemacht. |
| Koennt ihr ihm nuetzen, |
| Lass ihn nicht sitzen! |
| Denn er tat uns allen |
| Schon viel zu Gefallen. |
| |
| FAUST: |
| Erst zu begegnen dem Tiere, |
| Brauch ich den Spruch der Viere: Salamander soll gluehen, |
| Undene sich winden, |
| Sylphe verschwinden, |
| Kobold sich muehen. Wer sie nicht kennte |
| Die Elemente, |
| Ihre Kraft |
| Und Eigenschaft, |
| Waere kein Meister |
| ueber die Geister. Verschwind in Flammen, |
| Salamander! |
| Rauschend fliess zusammen, |
| Undene! |
| Leucht in Meteoren-Schoene, |
| Sylphe! |
| Bring haeusliche Huelfe, |
| Incubus! Incubus! |
| Tritt hervor und mache den Schluss Keines der Viere |
| Steckt in dem Tiere. |
| Es liegt ganz ruhig und grinst mich an; |
| Ich hab ihm noch nicht weh getan. |
| Du sollst mich hoeren |
| Staerker beschwoeren. Bist du, Geselle |
| Ein Fluechtling der Hoelle? |
| So sieh dies Zeichen |
| Dem sie sich beugen, |
| Die schwarzen Scharen! Schon schwillt es auf mit borstigen Haaren. |
| Verworfnes Wesen! |
| Kannst du ihn lesen? |
| Den nie Entsprossen, |
| Unausgesprochnen, |
| Durch alle Himmel Gegossen, |
| Freventlich Durchstochnen? Hinter den Ofen gebannt, |
| Schwillt es wie ein Elefant |
| Den ganzen Raum fuellt es an, |
| Es will zum Nebel zerfliessn. |
| Steige nicht zur Decke hinan! |
| Lege dich zu des Meisters Fuessn! |
| Du siehst, dassich nicht vergebens drohe. |
| Ich versenge dich mit heiliger Lohe! |
| Erwarte nicht |
| Das dreimal gluehende Licht! |
| Erwarte nicht |
| Die staerkste von meinen Kuensten! |
| (Mephistopheles tritt, indem der Nebel faellt, gekleidet wie ein |
| fahrender Scholastikus, hinter dem Ofen hervor.) |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Wozu der Laerm? was steht dem Herrn zu Diensten? |
| |
| FAUST: |
| Das also war des Pudels Kern! |
| Ein fahrender Skolast? Der Kasus macht mich lachen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich salutiere den gelehrten Herrn! |
| Ihr habt mich weidlich schwitzen machen. |
| |
| FAUST: |
| Wie nennst du dich? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Die Frage scheint mir klein Fuer einen, der das Wort so sehr verachtet, |
| Der, weit entfernt von allem Schein, |
| Nur in der Wesen Tiefe trachtet. |
| |
| FAUST: |
| Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen |
| Gewoehnlich aus dem Namen lesen, |
| Wo es sich allzu deutlich weist, |
| Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Luegner heiss. |
| Nun gut, wer bist du denn? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ein Teil von jener Kraft, Die stets das Boese will und stets das Gute |
| schafft. |
| |
| FAUST: |
| Was ist mit diesem Raetselwort gemeint? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich bin der Geist, der stets verneint! |
| Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, |
| Ist wert, dasses zugrunde geht; |
| Drum besser waer's, dassnichts entstuende. |
| So ist denn alles, was ihr Suende, |
| Zerstoerung, kurz, das Boese nennt, |
| Mein eigentliches Element. |
| |
| FAUST: |
| Du nennst dich einen Teil, und stehst doch ganz vor mir? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Bescheidne Wahrheit sprech ich dir. |
| Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt |
| Gewoehnlich fuer ein Ganzes haelt- |
| Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war |
| Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar |
| Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht |
| Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht, |
| Und doch gelingt's ihm nicht, da es, so viel es strebt, |
| Verhaftet an den Koerpern klebt. |
| Von Koerpern stroemt's, die Koerper macht es schoen, |
| Ein Koerper hemmt's auf seinem Gange; |
| So, hoff ich, dauert es nicht lange, |
| Und mit den Koerpern wird's zugrunde gehn. |
| |
| FAUST: |
| Nun kenn ich deine wuerd'gen Pflichten! |
| Du kannst im Grossn nichts vernichten |
| Und faengst es nun im Kleinen an. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Und freilich ist nicht viel damit getan. |
| Was sich dem Nichts entgegenstellt, |
| Das Etwas, diese plumpe Welt |
| So viel als ich schon unternommen |
| Ich wusse nicht ihr beizukommen |
| Mit Wellen, Stuermen, Schuetteln, Brand- |
| Geruhig bleibt am Ende Meer und Land! |
| Und dem verdammten Zeug, der Tier- und Menschenbrut, |
| Dem ist nun gar nichts anzuhaben: |
| Wie viele hab ich schon begraben! |
| Und immer zirkuliert ein neues, frisches Blut. |
| So geht es fort, man moechte rasend werden! |
| Der Luft, dem Wasser wie der Erden |
| Entwinden tausend Keime sich, |
| Im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten! |
| Haett ich mir nicht die Flamme vorbehalten, |
| Ich haette nichts Aparts fuer mich. |
| |
| FAUST: |
| So setzest du der ewig regen, |
| Der heilsam schaffenden Gewalt |
| Die kalte Teufelsfaust entgegen, |
| Die sich vergebens tueckisch ballt! |
| Was anders suche zu beginnen |
| Des Chaos wunderlicher Sohn! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Wir wollen wirklich uns besinnen, |
| Die naechsten Male mehr davon! |
| Duerft ich wohl diesmal mich entfernen? |
| |
| FAUST: |
| Ich sehe nicht, warum du fragst. |
| Ich habe jetzt dich kennen lernen |
| Besuche nun mich, wie du magst. |
| Hier ist das Fenster, hier die Tuere, |
| Ein Rauchfang ist dir auch gewiss |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Gesteh ich's nur! dassich hinausspaziere, |
| Verbietet mir ein kleines Hindernis, |
| Der Drudenfussauf Eurer Schwelle- |
| |
| FAUST: |
| Das Pentagramma macht dir Pein? |
| Ei sage mir, du Sohn der Hoelle, |
| Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein? |
| Wie ward ein solcher Geist betrogen? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Beschaut es recht! es ist nicht gut gezogen: |
| Der eine Winkel, der nach aussn zu, |
| Ist, wie du siehst, ein wenig offen. |
| |
| FAUST: |
| Das hat der Zufall gut getroffen! |
| Und mein Gefangner waerst denn du? |
| Das ist von ungefaehr gelungen! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Der Pudel merkte nichts, als er hereingesprungen, |
| Die Sache sieht jetzt anders aus: |
| Der Teufel kann nicht aus dem Haus. |
| |
| FAUST: |
| Doch warum gehst du nicht durchs Fenster? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| 's ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster: |
| Wo sie hereingeschluepft, da muessen sie hinaus. |
| Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte. |
| |
| FAUST: |
| Die Hoelle selbst hat ihre Rechte? |
| Das find ich gut, da liess sich ein Pakt, |
| Und sicher wohl, mit euch, ihr Herren, schliessn? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Was man verspricht, das sollst du rein geniessn, |
| Dir wird davon nichts abgezwackt. |
| Doch das ist nicht so kurz zu fassen, |
| Und wir besprechen das zunaechst |
| Doch jetzo bitt ich, hoch und hoechst, |
| Fuer dieses Mal mich zu entlassen. |
| |
| FAUST: |
| So bleibe doch noch einen Augenblick, |
| Um mir erst gute Maer zu sagen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Jetzt lassmich los! ich komme bald zurueck; |
| Dann magst du nach Belieben fragen. |
| |
| FAUST: |
| Ich habe dir nicht nachgestellt, |
| Bist du doch selbst ins Garn gegangen. |
| Den Teufel halte, wer ihn haelt! |
| Er wird ihn nicht so bald zum zweiten Male fangen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Wenn dir's beliebt, so bin ich auch bereit, |
| Dir zur Gesellschaft hier zu bleiben; |
| Doch mit Bedingnis, dir die Zeit |
| Durch meine Kuenste wuerdig zu vertreiben. |
| |
| FAUST: |
| Ich seh es gern, das steht dir frei; |
| Nur dassdie Kunst gefaellig sei! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Du wirst, mein Freund, fuer deine Sinnen |
| In dieser Stunde mehr gewinnen |
| Als in des Jahres Einerlei. |
| Was dir die zarten Geister singen, |
| Die schoenen Bilder, die sie bringen, |
| Sind nicht ein leeres Zauberspiel. |
| Auch dein Geruch wird sich ergetzen, |
| Dann wirst du deinen Gaumen letzen, |
| Und dann entzueckt sich dein Gefuehl. |
| Bereitung braucht es nicht voran, |
| Beisammen sind wir, fanget an! |
| |
| GEISTER: |
| Schwindet, ihr dunkeln |
| Woelbungen droben! |
| Reizender schaue |
| Freundlich der blaue |
| aether herein! |
| Waeren die dunkeln |
| Wolken zerronnen! |
| Sternelein funkeln, |
| Mildere Sonnen |
| Scheinen darein. |
| Himmlischer Soehne |
| Geistige Schoene, |
| Schwankende Beugung |
| Schwebet vorueber. |
| Sehnende Neigung |
| Folget hinueber; |
| Und der Gewaender |
| Flatternde Baender |
| Decken die Laender, |
| Decken die Laube, |
| Wo sich fuers Leben, |
| Tief in Gedanken, |
| Liebende geben. |
| Laube bei Laube! |
| Sprossende Ranken! |
| Lastende Traube |
| Stuerzt ins Behaelter |
| Draengender Kelter, |
| Stuerzen in Baechen |
| Schaeumende Weine, |
| Rieseln durch reine, |
| Edle Gesteine, |
| Lassen die Hoehen |
| Hinter sich liegen, |
| Breiten zu Seen |
| Sich ums Genuege |
| Gruenender Huegel. |
| Und das Gefluegel |
| Schluerfet sich Wonne, |
| Flieget der Sonne, |
| Flieget den hellen |
| Inseln entgegen, |
| Die sich auf Wellen |
| Gauklend bewegen; |
| Wo wir in Choeren |
| Jauchzende hoeren, |
| ueber den Auen |
| Tanzende schauen, |
| Die sich im Freien |
| Alle zerstreuen. |
| Einige klimmen |
| ueber die Hoehen, |
| Andere schwimmen |
| ueber die Seen, |
| Andere schweben; |
| Alle zum Leben, |
| Alle zur Ferne |
| Liebender Sterne, |
| Seliger Huld. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Er schlaeft! So recht, ihr luft'gen zarten Jungen! |
| Ihr habt ihn treulich eingesungen! |
| Fuer dies Konzert bin ich in eurer Schuld. |
| Du bist noch nicht der Mann, den Teufel festzuhalten! |
| Umgaukelt ihn mit suessn Traumgestalten, |
| Versenkt ihn in ein Meer des Wahns; |
| Doch dieser Schwelle Zauber zu zerspalten, |
| Bedarf ich eines Rattenzahns. |
| Nicht lange brauch ich zu beschwoeren, |
| Schon raschelt eine hier und wird sogleich mich hoeren. |
| |
| Der Herr der Ratten und der Maeuse, |
| Der Fliegen, Froesche, Wanzen, Laeuse |
| Befiehlt dir, dich hervor zu wagen |
| Und diese Schwelle zu benagen, |
| So wie er sie mit oel betupft- |
| Da kommst du schon hervorgehupft! |
| Nur frisch ans Werk! Die Spitze, die mich bannte, |
| Sie sitzt ganz vornen an der Kante. |
| Noch einen Biss so ist's geschehn.- |
| Nun, Fauste, traeume fort, bis wir uns wiedersehn. |
| |
| FAUST (erwachend): |
| Bin ich denn abermals betrogen? |
| Verschwindet so der geisterreiche Drang |
| Dassmir ein Traum den Teufel vorgelogen, |
| Und dassein Pudel mir entsprang? |
| |
| |
| |
| Studierzimmer |
| |
| Faust. Mephistopheles. |
| |
| |
| FAUST: |
| Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich bin's. |
| |
| FAUST: |
| Herein! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Du muss es dreimal sagen. |
| |
| FAUST: |
| Herein denn! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| So gefaellst du mir. Wir werden, hoff ich, uns vertragen; |
| Denn dir die Grillen zu verjagen, |
| Bin ich als edler Junker hier, |
| In rotem, goldverbraemtem Kleide, |
| Das Maentelchen von starrer Seide, |
| Die Hahnenfeder auf dem Hut, |
| Mit einem langen, spitzen Degen, |
| Und rate nun dir, kurz und gut, |
| Dergleichen gleichfalls anzulegen; |
| Damit du, losgebunden, frei, |
| Erfahrest, was das Leben sei. |
| |
| FAUST: |
| In jedem Kleide werd ich wohl die Pein |
| Des engen Erdelebens fuehlen. |
| Ich bin zu alt, um nur zu spielen, |
| Zu jung, um ohne Wunsch zu sein. |
| Was kann die Welt mir wohl gewaehren? |
| Entbehren sollst du! sollst entbehren! |
| Das ist der ewige Gesang, |
| Der jedem an die Ohren klingt, |
| Den, unser ganzes Leben lang, |
| Uns heiser jede Stunde singt. |
| Nur mit Entsetzen wach ich morgens auf, |
| Ich moechte bittre Traenen weinen, |
| Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf |
| Nicht einen Wunsch erfuellen wird, nicht einen, |
| Der selbst die Ahnung jeder Lust |
| Mit eigensinnigem Krittel mindert, |
| Die Schoepfung meiner regen Brust |
| Mit tausend Lebensfratzen hindert. |
| Auch mussich, wenn die Nacht sich niedersenkt, |
| Mich aengstlich auf das Lager strecken; |
| Auch da wird keine Rast geschenkt, |
| Mich werden wilde Traeume schrecken. |
| Der Gott, der mir im Busen wohnt, |
| Kann tief mein Innerstes erregen; |
| Der ueber allen meinen Kraeften thront, |
| Er kann nach aussn nichts bewegen; |
| Und so ist mir das Dasein eine Last, |
| Der Tod erwuenscht, das Leben mir verhass. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast. |
| |
| FAUST: |
| O selig der, dem er im Siegesglanze |
| Die blut'gen Lorbeern um die Schlaefe windet, |
| Den er, nach rasch durchrastem Tanze, |
| In eines Maedchens Armen findet! |
| O waer ich vor des hohen Geistes Kraft |
| Entzueckt, entseelt dahin gesunken! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Und doch hat jemand einen braunen Saft, |
| In jener Nacht, nicht ausgetrunken. |
| |
| FAUST: |
| Das Spionieren, scheint's, ist deine Lust. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewuss. |
| |
| FAUST: |
| Wenn aus dem schrecklichen Gewuehle |
| Ein suessbekannter Ton mich zog, |
| Den Rest von kindlichem Gefuehle |
| Mit Anklang froher Zeit betrog, |
| So fluch ich allem, was die Seele |
| Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt, |
| Und sie in diese Trauerhoehle |
| Mit Blend- und Schmeichelkraeften bannt! |
| Verflucht voraus die hohe Meinung |
| Womit der Geist sich selbst umfaengt! |
| Verflucht das Blenden der Erscheinung, |
| Die sich an unsre Sinne draengt! |
| Verflucht, was uns in Traeumen heuchelt |
| Des Ruhms, der Namensdauer Trug! |
| Verflucht, was als Besitz uns schmeichelt, |
| Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug! |
| Verflucht sei Mammon, wenn mit Schaetzen |
| Er uns zu kuehnen Taten regt, |
| Wenn er zu muessgem Ergetzen |
| Die Polster uns zurechte legt! |
| Fluch sei dem Balsamsaft der Trauben! |
| Fluch jener hoechsten Liebeshuld! |
| Fluch sei der Hoffnung! Fluch dem Glauben, |
| Und Fluch vor allen der Geduld! |
| |
| GEISTERCHOR (unsichtbar): |
| Weh! weh! |
| Du hast sie zerstoert |
| Die schoene Welt, |
| Mit maechtiger Faust; |
| Sie stuerzt, sie zerfaellt! |
| Ein Halbgott hat sie zerschlagen! |
| Wir tragen |
| Die Truemmern ins Nichts hinueber, |
| Und klagen |
| ueber die verlorne Schoene. |
| Maechtiger |
| Der Erdensoehne, |
| Praechtiger |
| Baue sie wieder, |
| In deinem Busen baue sie auf! |
| Neuen Lebenslauf |
| Beginne, |
| Mit hellem Sinne, |
| Und neue Lieder |
| Toenen darauf! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Dies sind die Kleinen |
| Von den Meinen. |
| Hoere, wie zu Lust und Taten |
| Altklug sie raten! |
| In die Welt weit, |
| Aus der Einsamkeit |
| Wo Sinnen und Saefte stocken, |
| Wollen sie dich locken. Hoer auf, mit deinem Gram zu spielen, |
| Der, wie ein Geier, dir am Leben friss; |
| Die schlechteste Gesellschaft laess dich fuehlen, |
| Dassdu ein Mensch mit Menschen bist. |
| Doch so ist's nicht gemeint |
| Dich unter das Pack zu stossn. |
| Ich bin keiner von den Grossn; |
| Doch willst du, mit mir vereint, |
| Deine Schritte durchs Leben nehmen, |
| So will ich mich gern bequemen, |
| Dein zu sein, auf der Stelle. |
| Ich bin dein Geselle, |
| Und mach ich dir's recht, |
| Bin ich dein Diener, bin dein Knecht! |
| |
| FAUST: |
| Und was soll ich dagegen dir erfuellen? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Dazu hast du noch eine lange Frist. |
| |
| FAUST: |
| Nein, nein! der Teufel ist ein Egoist |
| Und tut nicht leicht um Gottes willen, |
| Was einem andern nuetzlich ist. |
| Sprich die Bedingung deutlich aus; |
| Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden, |
| Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn; |
| Wenn wir uns drueben wiederfinden, |
| So sollst du mir das gleiche tun. |
| |
| FAUST: |
| Das Drueben kann mich wenig kuemmern; |
| Schlaegst du erst diese Welt zu Truemmern, |
| Die andre mag darnach entstehn. |
| Aus dieser Erde quillen meine Freuden, |
| Und diese Sonne scheinet meinen Leiden; |
| Kann ich mich erst von ihnen scheiden, |
| Dann mag, was will und kann, geschehn. |
| Davon will ich nichts weiter hoeren, |
| Ob man auch kuenftig hass und liebt, |
| Und ob es auch in jenen Sphaeren |
| Ein Oben oder Unten gibt. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| In diesem Sinne kannst du's wagen. |
| Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen, |
| Mit Freuden meine Kuenste sehn, |
| Ich gebe dir, was noch kein Mensch gesehn. |
| |
| FAUST: |
| Was willst du armer Teufel geben? |
| Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben, |
| Von deinesgleichen je gefass? |
| Doch hast du Speise, die nicht saettigt, hast |
| Du rotes Gold, das ohne Rast, |
| Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt, |
| Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt, |
| Ein Maedchen, das an meiner Brust |
| Mit aeugeln schon dem Nachbar sich verbindet, |
| Der Ehre schoene Goetterlust, |
| Die, wie ein Meteor, verschwindet? |
| Zeig mir die Frucht, die fault, eh man sie bricht, |
| Und Baeume, die sich taeglich neu begruenen! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht, |
| Mit solchen Schaetzen kann ich dienen. |
| Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran, |
| Wo wir was Guts in Ruhe schmausen moegen. |
| |
| FAUST: |
| Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen, |
| So sei es gleich um mich getan! |
| Kannst du mich schmeichelnd je beluegen, |
| Dassich mir selbst gefallen mag, |
| Kannst du mich mit Genussbetruegen- |
| Das sei fuer mich der letzte Tag! |
| Die Wette biet ich! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Topp! |
| |
| FAUST: |
| Und Schlag auf Schlag! Werd ich zum Augenblicke sagen: |
| Verweile doch! du bist so schoen! |
| Dann magst du mich in Fesseln schlagen, |
| Dann will ich gern zugrunde gehn! |
| Dann mag die Totenglocke schallen, |
| Dann bist du deines Dienstes frei, |
| Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen, |
| Es sei die Zeit fuer mich vorbei! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Bedenk es wohl, wir werden's nicht vergessen. |
| |
| FAUST: |
| Dazu hast du ein volles Recht; |
| Ich habe mich nicht freventlich vermessen. |
| Wie ich beharre, bin ich Knecht, |
| Ob dein, was frag ich, oder wessen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich werde heute gleich, beim Doktorschmaus, |
| Als Diener meine Pflicht erfuellen. |
| Nur eins!- Um Lebens oder Sterbens willen |
| Bitt ich mir ein paar Zeilen aus. |
| |
| FAUST: |
| Auch was Geschriebnes forderst du Pedant? |
| Hast du noch keinen Mann, nicht Manneswort gekannt? |
| Ist's nicht genug, dassmein gesprochnes Wort |
| Auf ewig soll mit meinen Tagen schalten? |
| Rast nicht die Welt in allen Stroemen fort, |
| Und mich soll ein Versprechen halten? |
| Doch dieser Wahn ist uns ins Herz gelegt, |
| Wer mag sich gern davon befreien? |
| Beglueckt, wer Treue rein im Busen traegt, |
| Kein Opfer wird ihn je gereuen! |
| Allein ein Pergament, beschrieben und bepraegt, |
| Ist ein Gespenst, vor dem sich alle scheuen. |
| Das Wort erstirbt schon in der Feder, |
| Die Herrschaft fuehren Wachs und Leder. |
| Was willst du boeser Geist von mir? |
| Erz, Marmor, Pergament, Papier? |
| Soll ich mit Griffel, Meissl, Feder schreiben? |
| Ich gebe jede Wahl dir frei. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Wie magst du deine Rednerei |
| Nur gleich so hitzig uebertreiben? |
| Ist doch ein jedes Blaettchen gut. |
| Du unterzeichnest dich mit einem Troepfchen Blut. |
| |
| FAUST: |
| Wenn dies dir voellig Gnuege tut, |
| So mag es bei der Fratze bleiben. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Blut ist ein ganz besondrer Saft. |
| |
| FAUST: |
| Nur keine Furcht, dassich dies Buendnis breche! |
| Das Streben meiner ganzen Kraft |
| Ist grade das, was ich verspreche. |
| Ich habe mich zu hoch geblaeht, |
| In deinen Rang gehoer ich nur. |
| Der gross Geist hat mich verschmaeht, |
| Vor mir verschliess sich die Natur |
| Des Denkens Faden ist zerrissen |
| Mir ekelt lange vor allem Wissen. |
| Lassin den Tiefen der Sinnlichkeit |
| Uns gluehende Leidenschaften stillen! |
| In undurchdrungnen Zauberhuellen |
| Sei jedes Wunder gleich bereit! |
| Stuerzen wir uns in das Rauschen der Zeit, |
| Ins Rollen der Begebenheit! |
| Da mag denn Schmerz und Genuss |
| Gelingen und VerdrussMiteinander wechseln, wie es kann; |
| Nur rastlos betaetigt sich der Mann. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Euch ist kein Massund Ziel gesetzt. |
| Beliebt's Euch, ueberall zu naschen, |
| Im Fliehen etwas zu erhaschen, |
| Bekomm Euch wohl, was Euch ergetzt. |
| Nur greift mir zu und seid nicht bloede! |
| |
| FAUST: |
| Du hoerest ja, von Freud' ist nicht die Rede. |
| Dem Taumel weih ich mich, dem schmerzlichsten Genuss |
| Verliebtem Hass erquickendem Verdruss |
| Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist, |
| Soll keinen Schmerzen kuenftig sich verschliessn, |
| Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist, |
| Will ich in meinem innern Selbst geniessn, |
| Mit meinem Geist das Hoechst' und Tiefste greifen, |
| Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen haeufen, |
| Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern, |
| Und, wie sie selbst, am End auch ich zerscheitern. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| O glaube mir, der manche tausend Jahre |
| An dieser harten Speise kaut |
| Dassvon der Wiege bis zur Bahre |
| Kein Mensch den alten Sauerteig verdaut! |
| Glaub unsereinem, dieses Ganze |
| Ist nur fuer einen Gott gemacht! |
| Er findet sich in einem ew'gen Glanze |
| Uns hat er in die Finsternis gebracht, |
| Und euch taugt einzig Tag und Nacht. |
| |
| FAUST: |
| Allein ich will! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Das laess sich hoeren! Doch nur vor einem ist mir bang: |
| Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang. |
| Ich daecht, ihr liesst Euch belehren. |
| Assoziiert Euch mit einem Poeten, |
| Lass den Herrn in Gedanken schweifen, |
| Und alle edlen Qualitaeten |
| Auf Euren Ehrenscheitel haeufen, |
| Des Loewen Mut, |
| Des Hirsches Schnelligkeit, |
| Des Italieners feurig Blut, |
| Des Nordens Dau'rbarkeit. |
| Lass ihn Euch das Geheimnis finden, |
| Grossut und Arglist zu verbinden, |
| Und Euch, mit warmen Jugendtrieben, |
| Nach einem Plane zu verlieben. |
| Moechte selbst solch einen Herren kennen, |
| Wuerd ihn Herrn Mikrokosmus nennen. |
| |
| FAUST: |
| Was bin ich denn, wenn es nicht moeglich ist, |
| Der Menschheit Krone zu erringen, |
| Nach der sich alle Sinne dringen? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Du bist am Ende- was du bist. |
| Setz dir Peruecken auf von Millionen Locken, |
| Setz deinen Fussauf ellenhohe Socken, |
| Du bleibst doch immer, was du bist. |
| |
| FAUST: |
| Ich fuehl's, vergebens hab ich alle Schaetze |
| Des Menschengeists auf mich herbeigerafft, |
| Und wenn ich mich am Ende niedersetze, |
| Quillt innerlich doch keine neue Kraft; |
| Ich bin nicht um ein Haar breit hoeher, |
| Bin dem Unendlichen nicht naeher. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Mein guter Herr, Ihr seht die Sachen, |
| Wie man die Sachen eben sieht; |
| Wir muessen das gescheiter machen, |
| Eh uns des Lebens Freude flieht. |
| Was Henker! freilich Haend und Fuess |
| Und Kopf und Hintern, die sind dein; |
| Doch alles, was ich frisch geniess, |
| Ist das drum weniger mein? |
| Wenn ich sechs Hengste zahlen kann, |
| Sind ihre Kraefte nicht die meine? |
| Ich renne zu und bin ein rechter Mann, |
| Als haett ich vierundzwanzig Beine. |
| Drum frisch! Lassalles Sinnen sein, |
| Und grad mit in die Welt hinein! |
| Ich sag es dir: ein Kerl, der spekuliert, |
| Ist wie ein Tier, auf duerrer Heide |
| Von einem boesen Geist im Kreis herum gefuehrt, |
| Und rings umher liegt schoene gruene Weide. |
| |
| FAUST: |
| Wie fangen wir das an? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Wir gehen eben fort. Was ist das fuer ein Marterort? |
| Was heiss das fuer ein Leben fuehren, |
| Sich und die Jungens ennuyieren? |
| Lassdu das dem Herrn Nachbar Wanst! |
| Was willst du dich das Stroh zu dreschen plagen? |
| Das Beste, was du wissen kannst, |
| Darfst du den Buben doch nicht sagen. |
| Gleich hoer ich einen auf dem Gange! |
| |
| FAUST: |
| Mir ist's nicht moeglich, ihn zu sehn. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Der arme Knabe wartet lange, |
| Der darf nicht ungetroestet gehn. |
| Komm, gib mir deinen Rock und Muetze; |
| Die Maske mussmir koestlich stehn. (Er kleidet sich um.) |
| Nun ueberlasses meinem Witze! |
| Ich brauche nur ein Viertelstuendchen Zeit; |
| Indessen mache dich zur schoenen Fahrt bereit! |
| (Faust ab.) |
| |
| MEPHISTOPHELES (in Fausts langem Kleide): |
| Verachte nur Vernunft und Wissenschaft, |
| Des Menschen allerhoechste Kraft, |
| Lassnur in Blend- und Zauberwerken |
| Dich von dem Luegengeist bestaerken, |
| So hab ich dich schon unbedingt- |
| Ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben, |
| Der ungebaendigt immer vorwaerts dringt, |
| Und dessen uebereiltes Streben |
| Der Erde Freuden ueberspringt. |
| Den schlepp ich durch das wilde Leben, |
| Durch flache Unbedeutenheit, |
| Er soll mir zappeln, starren, kleben, |
| Und seiner Unersaettlichkeit |
| Soll Speis und Trank vor gier'gen Lippen schweben; |
| Er wird Erquickung sich umsonst erflehn, |
| Und haett er sich auch nicht dem Teufel uebergeben, |
| Er muesse doch zugrunde gehn! |
| (Ein SCHUELER tritt auf.) |
| |
| SCHUELER: |
| Ich bin allhier erst kurze Zeit, |
| Und komme voll Ergebenheit, |
| Einen Mann zu sprechen und zu kennen, |
| Den alle mir mit Ehrfucht nennen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Eure Hoeflichkeit erfreut mich sehr! |
| Ihr seht einen Mann wie andre mehr. |
| Habt Ihr Euch sonst schon umgetan? |
| |
| SCHUELER: |
| Ich bitt Euch, nehmt Euch meiner an! |
| Ich komme mit allem guten Mut, |
| Leidlichem Geld und frischem Blut; |
| Meine Mutter wollte mich kaum entfernen; |
| Moechte gern was Rechts hieraussn lernen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Da seid Ihr eben recht am Ort. |
| |
| SCHUELER: |
| Aufrichtig, moechte schon wieder fort: |
| In diesen Mauern, diesen Hallen |
| Will es mir keineswegs gefallen. |
| Es ist ein gar beschraenkter Raum, |
| Man sieht nichts Gruenes, keinen Baum, |
| Und in den Saelen, auf den Baenken, |
| Vergeht mir Hoeren, Sehn und Denken. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Das kommt nur auf Gewohnheit an. |
| So nimmt ein Kind der Mutter Brust |
| Nicht gleich im Anfang willig an, |
| Doch bald ernaehrt es sich mit Lust. |
| So wird's Euch an der Weisheit Bruesten |
| Mit jedem Tage mehr geluesten. |
| |
| SCHUELER: |
| An ihrem Hals will ich mit Freuden hangen; |
| Doch sagt mir nur, wie kann ich hingelangen? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Erklaert Euch, eh Ihr weiter geht, |
| Was waehlt Ihr fuer eine Fakultaet? |
| |
| SCHUELER: |
| Ich wuenschte recht gelehrt zu werden, |
| Und moechte gern, was auf der Erden |
| Und in dem Himmel ist, erfassen, |
| Die Wissenschaft und die Natur. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Da seid Ihr auf der rechten Spur; |
| Doch muess Ihr Euch nicht zerstreuen lassen. |
| |
| SCHUELER: |
| Ich bin dabei mit Seel und Leib; |
| Doch freilich wuerde mir behagen |
| Ein wenig Freiheit und Zeitvertreib |
| An schoenen Sommerfeiertagen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen, |
| Doch Ordnung lehrt Euch Zeit gewinnen. |
| Mein teurer Freund, ich rat Euch drum |
| Zuerst Collegium Logicum. |
| Da wird der Geist Euch wohl dressiert, |
| In spanische Stiefeln eingeschnuert, |
| Dasser bedaechtiger so fortan |
| Hinschleiche die Gedankenbahn, |
| Und nicht etwa, die Kreuz und Quer, |
| Irrlichteliere hin und her. |
| Dann lehret man Euch manchen Tag, |
| Dass was Ihr sonst auf einen Schlag |
| Getrieben, wie Essen und Trinken frei, |
| Eins! Zwei! Drei! dazu noetig sei. |
| Zwar ist's mit der Gedankenfabrik |
| Wie mit einem Weber-Meisterstueck, |
| Wo ein Tritt tausend Faeden regt, |
| Die Schifflein herueber hinueber schiessn, |
| Die Faeden ungesehen fliessn, |
| Ein Schlag tausend Verbindungen schlaegt. |
| Der Philosoph, der tritt herein |
| Und beweist Euch, es muess so sein: |
| Das Erst waer so, das Zweite so, |
| Und drum das Dritt und Vierte so; |
| Und wenn das Erst und Zweit nicht waer, |
| Das Dritt und Viert waer nimmermehr. |
| Das preisen die Schueler allerorten, |
| Sind aber keine Weber geworden. |
| Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben, |
| Sucht erst den Geist heraus zu treiben, |
| Dann hat er die Teile in seiner Hand, |
| Fehlt, leider! nur das geistige Band. |
| Encheiresin naturae nennt's die Chemie, |
| Spottet ihrer selbst und weissnicht wie. |
| |
| SCHUELER: |
| Kann Euch nicht eben ganz verstehen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Das wird naechstens schon besser gehen, |
| Wenn Ihr lernt alles reduzieren |
| Und gehoerig klassifizieren. |
| |
| SCHUELER: |
| Mir wird von alledem so dumm, |
| Als ging, mir ein Muehlrad im Kopf herum. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Nachher, vor allen andern Sachen, |
| Muess Ihr Euch an die Metaphysik machen! |
| Da seht, dassIhr tiefsinnig fass, |
| Was in des Menschen Hirn nicht pass; |
| Fuer was drein geht und nicht drein geht, |
| Ein praechtig Wort zu Diensten steht. |
| Doch vorerst dieses halbe Jahr |
| Nehmt ja der besten Ordnung wahr. |
| Fuenf Stunden habt Ihr jeden Tag; |
| Seid drinnen mit dem Glockenschlag! |
| Habt Euch vorher wohl praepariert, |
| Paragraphos wohl einstudiert, |
| Damit Ihr nachher besser seht, |
| Dasser nichts sagt, als was im Buche steht; |
| Doch Euch des Schreibens ja befleiss, |
| Als diktiert, Euch der Heilig Geist! |
| |
| SCHUELER: |
| Das sollt Ihr mir nicht zweimal sagen! |
| Ich denke mir, wie viel es nuetzt |
| Denn, was man schwarz auf weissbesitzt, |
| Kann man getrost nach Hause tragen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Doch waehlt mir eine Fakultaet! |
| |
| SCHUELER: |
| Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich kann es Euch so sehr nicht uebel nehmen, |
| Ich weiss wie es um diese Lehre steht. |
| Es erben sich Gesetz' und Rechte |
| Wie eine ew'ge Krankheit fort; |
| Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte, |
| Und ruecken sacht von Ort zu Ort. |
| Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage; |
| Weh dir, dassdu ein Enkel bist! |
| Vom Rechte, das mit uns geboren ist, |
| Von dem ist, leider! nie die Frage. |
| |
| SCHUELER: |
| Mein Abscheu wird durch Euch vermehrt. |
| O gluecklich der, den Ihr belehrt! |
| Fast moecht ich nun Theologie studieren. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich wuenschte nicht, Euch irre zu fuehren. |
| Was diese Wissenschaft betrifft, |
| Es ist so schwer, den falschen Weg zu meiden, |
| Es liegt in ihr so viel verborgnes Gift, |
| Und von der Arzenei ist's kaum zu unterscheiden. |
| Am besten ist's auch hier, wenn Ihr nur einen hoert, |
| Und auf des Meisters Worte schwoert. |
| Im ganzen- haltet Euch an Worte! |
| Dann geht Ihr durch die sichre Pforte |
| Zum Tempel der Gewisseit ein. |
| |
| SCHUELER: |
| Doch ein Begriff mussbei dem Worte sein. |
| MEPHISTOPHELES: |
| Schon gut! Nur mussman sich nicht allzu aengstlich quaelen |
| Denn eben wo Begriffe fehlen, |
| Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein. |
| Mit Worten laess sich trefflich streiten, |
| Mit Worten ein System bereiten, |
| An Worte laess sich trefflich glauben, |
| Von einem Wort laess sich kein Jota rauben. |
| |
| SCHUELER: |
| Verzeiht, ich halt Euch auf mit vielen Fragen, |
| Allem ich mussEuch noch bemuehn. |
| Wollt Ihr mir von der Medizin |
| Nicht auch ein kraeftig Woertchen sagen? |
| Drei Jahr ist eine kurze Zeit, |
| Und, Gott! das Feld ist gar zu weit. |
| Wenn man einen Fingerzeig nur hat, |
| Laess sich's schon eher weiter fuehlen. |
| |
| MEPHISTOPHELES (fuer sich): |
| Ich bin des trocknen Tons nun satt, |
| Musswieder recht den Teufel spielen. |
| (Laut.) Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen; |
| Ihr durchstudiert die gross und kleine Welt, |
| Um es am Ende gehn zu lassen, |
| Wie's Gott gefaellt. |
| Vergebens, dassIhr ringsum wissenschaftlich schweift, |
| Ein jeder lernt nur, was er lernen kann; |
| Doch der den Augenblick ergreift, |
| Das ist der rechte Mann. |
| Ihr seid noch ziemlich wohl gebaut, |
| An Kuehnheit wird's Euch auch nicht fehlen, |
| Und wenn Ihr Euch nur selbst vertraut, |
| Vertrauen Euch die andern Seelen. |
| Besonders lernt die Weiber fuehren; |
| Es ist ihr ewig Weh und Ach |
| So tausendfach |
| Aus einem Punkte zu kurieren, |
| Und wenn Ihr halbweg ehrbar tut, |
| Dann habt Ihr sie all unterm Hut. |
| Ein Titel musssie erst vertraulich machen, |
| DassEure Kunst viel Kuenste uebersteigt; |
| Zum Willkomm tappt Ihr dann nach allen Siebensachen, |
| Um die ein andrer viele Jahre streicht, |
| Versteht das Puelslein wohl zu druecken, |
| Und fasset sie, mit feurig schlauen Blicken, |
| Wohl um die schlanke Huefte frei, |
| Zu sehn, wie fest geschnuert sie sei. |
| |
| SCHUELER: |
| Das sieht schon besser aus! Man sieht doch, wo und wie. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, |
| Und gruen des Lebens goldner Baum. |
| |
| SCHUELER: |
| Ich schwoer Euch zu, mir ist's als wie ein Traum. |
| Duerft ich Euch wohl ein andermal beschweren, |
| Von Eurer Weisheit auf den Grund zu hoeren? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Was ich vermag, soll gern geschehn. |
| |
| SCHUELER: |
| Ich kann unmoeglich wieder gehn, |
| Ich mussEuch noch mein Stammbuch ueberreichen, |
| Goenn Eure Gunst mir dieses Zeichen! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Sehr wohl. |
| (Er schreibt und gibt's.) |
| |
| SCHUELER (liest): |
| Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum. |
| (Macht's ehrerbietig zu und empfiehlt sich.) |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Folg nur dem alten Spruch und meiner Muhme, der Schlange, |
| Dir wird gewisseinmal bei deiner Gottaehnlichkeit bange! |
| (Faust tritt auf.) |
| |
| FAUST: |
| Wohin soll es nun gehn? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Wohin es dir gefaellt. |
| Wir sehn die kleine, dann die gross Welt. |
| Mit welcher Freude, welchem Nutzen |
| Wirst du den Cursum durchschmarutzen! |
| |
| FAUST: |
| Allein bei meinem langen Bart |
| Fehlt mir die leichte Lebensart. |
| Es wird mir der Versuch nicht gluecken; |
| Ich wusse nie mich in die Welt zu schicken. |
| Vor andern fuehl ich mich so klein; |
| Ich werde stets verlegen sein. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Mein guter Freund, das wird sich alles geben; |
| Sobald du dir vertraust, sobald weiss du zu leben. |
| |
| FAUST: |
| Wie kommen wir denn aus dem Haus? |
| Wo hast du Pferde, Knecht und Wagen? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Wir breiten nur den Mantel aus, |
| Der soll uns durch die Luefte tragen. |
| Du nimmst bei diesem kuehnen Schritt |
| Nur keinen grossn Buendel mit. |
| Ein bisshen Feuerluft, die ich bereiten werde, |
| Hebt uns behend von dieser Erde. |
| Und sind wir leicht, so geht es schnell hinauf; |
| Ich gratuliere dir zum neuen Lebenslauf! |
| |
| |
| |
| Auerbachs Keller in Leipzig |
| |
| Zeche lustiger Gesellen. |
| |
| |
| FROSCH: |
| Will keiner trinken? keiner lachen? |
| Ich will euch lehren Gesichter machen! |
| Ihr seid ja heut wie nasses Stroh, |
| Und brennt sonst immer lichterloh. |
| |
| BRANDER: |
| Das liegt an dir; du bringst ja nichts herbei, |
| Nicht eine Dummheit, keine Sauerei. |
| |
| FROSCH (giesst ihm ein Glas Wein ueber den Kopf): |
| Da hast du beides! |
| |
| BRANDER: |
| Doppelt Schwein! |
| |
| FROSCH: |
| Ihr wollt es ja, man soll es sein! |
| |
| SIEBEL: |
| Zur Tuer hinaus, er sich entzweit! |
| Mit offner Brust singt Runda, sauft und schreit! |
| Auf! Holla! Ho! |
| |
| ALTMAYER: |
| Weh mir, ich bin verloren! Baumwolle her! der Kerl sprengt mir die Ohren. |
| |
| SIEBEL: |
| Wenn das Gewoelbe widerschallt, |
| Fuehlt man erst recht des Basses Grundgewalt. |
| |
| FROSCH: |
| So recht, hinaus mit dem, der etwas uebel nimmt! |
| A! tara lara da! |
| |
| ALTMAYER: |
| A! tara lara da! |
| |
| FROSCH: |
| Die Kehlen sind gestimmt. |
| (Singt.) |
| Das liebe Heil'ge Roem'sche Reich, |
| Wie haelt's nur noch zusammen? |
| |
| BRANDER: |
| Ein garstig Lied! Pfui! ein politisch Lied |
| Ein leidig Lied! Dankt Gott mit jedem Morgen, |
| Dassihr nicht braucht fuers Roem'sche Reich zu sorgen! |
| Ich halt es wenigstens fuer reichlichen Gewinn, |
| Dassich nicht Kaiser oder Kanzler bin. |
| Doch mussauch uns ein Oberhaupt nicht fehlen; |
| Wir wollen einen Papst erwaehlen. |
| Ihr wiss, welch eine Qualitaet |
| Den Ausschlag gibt, den Mann erhoeht. |
| |
| FROSCH (singt): |
| Schwing dich auf, Frau Nachtigall, |
| Gruessmir mein Liebchen zehentausendmal. |
| |
| SIEBEL: |
| Dem Liebchen keinen Gruss ich will davon nichts hoeren! |
| |
| FROSCH: |
| Dem Liebchen Grussund Kuss du wirst mir's nicht verwehren! |
| |
| (Singt.) |
| Riegel auf! in stiller Nacht. |
| Riegel auf! der Liebste wacht. |
| Riegel zu! des Morgens frueh. |
| |
| SIEBEL: |
| Ja, singe, singe nur und lob und ruehme sie! |
| Ich will zu meiner Zeit schon lachen. |
| Sie hat mich angefuehrt, dir wird sie's auch so machen. |
| Zum Liebsten sei ein Kobold ihr beschert! |
| Der mag mit ihr auf einem Kreuzweg schaekern; |
| Ein alter Bock, wenn er vom Blocksberg kehrt, |
| Mag im Galopp noch gute Nacht ihr meckern! |
| Ein braver Kerl von echtem Fleisch und Blut |
| Ist fuer die Dirne viel zu gut. |
| Ich will von keinem Gruss wissen, |
| Als ihr die Fenster eingeschmissen |
| |
| BRANDER (auf den Tisch schlagend): |
| Pass auf! pass auf! Gehorchet mir! |
| Ihr Herrn, gesteht, ich weisszu leben |
| Verliebte Leute sitzen hier, |
| Und diesen muss nach Standsgebuehr, |
| Zur guten Nacht ich was zum besten geben. |
| Gebt acht! Ein Lied vom neusten Schnitt! |
| Und singt den Rundreim kraeftig mit! |
| (Er singt.) |
| Es war eine Ratt im Kellernest, |
| Lebte nur von Fett und Butter, |
| Hatte sich ein Raenzlein angemaest't, |
| Als wie der Doktor Luther. |
| Die Koechin hatt ihr Gift gestellt; |
| Da ward's so eng ihr in der Welt, |
| Als haette sie Lieb im Leibe. |
| |
| CHORUS (jauchzend): |
| Als haette sie Lieb im Leibe. |
| |
| BRANDER: |
| Sie fuhr herum, sie fuhr heraus, |
| Und soff aus allen Pfuetzen, |
| Zernagt', zerkratzt, das ganze Haus, |
| Wollte nichts ihr Wueten nuetzen; |
| Sie taet gar manchen aengstesprung, |
| Bald hatte das arme Tier genung, |
| Als haett es Lieb im Leibe. |
| |
| CHORUS: |
| Als haett es Lieb im Leibe. |
| |
| BRANDER: |
| Sie kam vor Angst am hellen Tag |
| Der Kueche zugelaufen, |
| Fiel an den Herd und zuckt, und lag, |
| Und taet erbaermlich schnaufen. |
| Da lachte die Vergifterin noch: |
| Ha! sie pfeift auf dem letzten Loch, |
| Als haette sie Lieb im Leibe. |
| |
| CHORUS: |
| Als haette sie Lieb im Leibe. |
| |
| SIEBEL: |
| Wie sich die platten Bursche freuen! |
| Es ist mir eine rechte Kunst, |
| Den armen Ratten Gift zu streuen! |
| |
| BRANDER: |
| Sie stehn wohl sehr in deiner Gunst? |
| |
| ALTMAYER: |
| Der Schmerbauch mit der kahlen Platte! |
| Das Unglueck macht ihn zahm und mild; |
| Er sieht in der geschwollnen Ratte |
| Sein ganz natuerlich Ebenbild |
| (Faust und Mephistopheles treten auf.) |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich mussdich nun vor allen Dingen |
| In lustige Gesellschaft bringen, |
| Damit du siehst, wie leicht sich's leben laess. |
| Dem Volke hier wird jeder Tag ein Fest. |
| Mit wenig Witz und viel Behagen |
| Dreht jeder sich im engen Zirkeltanz, |
| Wie junge Katzen mit dem Schwanz. |
| Wenn sie nicht ueber Kopfweh klagen, |
| So lang der Wirt nur weiter borgt, |
| Sind sie vergnuegt und unbesorgt. |
| |
| BRANDER: |
| Die kommen eben von der Reise, |
| Man sieht's an ihrer wunderlichen Weise; |
| Sie sind nicht eine Stunde hier. |
| |
| FROSCH: |
| Wahrhaftig, du hast recht! Mein Leipzig lob ich mir! |
| Es ist ein klein Paris, und bildet seine Leute. |
| |
| SIEBEL: |
| Fuer was siehst du die Fremden an? |
| |
| FROSCH: |
| Lassmich nur gehn! Bei einem vollen Glase |
| Zieh ich, wie einen Kinderzahn, |
| Den Burschen leicht die Wuermer aus der Nase. |
| Sie scheinen mir aus einem edlen Haus, |
| Sie sehen stolz und unzufrieden aus. |
| |
| BRANDER: |
| Marktschreier sind's gewiss ich wette! |
| |
| ALTMAYER: |
| Vielleicht. |
| |
| FROSCH: |
| Gib acht, ich schraube sie! |
| |
| MEPHISTOPHELES (zu Faust): |
| Den Teufel spuert das Voelkchen nie, |
| Und wenn er sie beim Kragen haette. |
| |
| FAUST: |
| Seid uns gegruess, ihr Herrn! |
| |
| SIEBEL: |
| Viel Dank zum Gegengruss |
| (Leise, Mephistopheles von der Seite ansehend.) |
| Was hinkt der Kerl auf einem Fuss |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ist es erlaubt, uns auch zu euch zu setzen? |
| Statt eines guten Trunks, den man nicht haben kann |
| Soll die Gesellschaft uns ergetzen. |
| |
| ALTMAYER: |
| Ihr scheint ein sehr verwoehnter Mann. |
| |
| FROSCH: |
| Ihr seid wohl spaet von Rippach aufgebrochen? |
| Habt ihr mit Herren Hans noch erst zu Nacht gespeist? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Heut sind wir ihn vorbeigereist! |
| Wir haben ihn das letztemal gesprochen. |
| Von seinen Vettern wuss er viel zu sagen, |
| Viel Gruess hat er uns an jeden aufgetragen. |
| (Er neigt sich gegen Frosch.) |
| |
| ALTMAYER (leise): |
| Da hast du's! der versteht's! |
| |
| SIEBEL: |
| Ein pfiffiger Patron! |
| |
| FROSCH: |
| Nun, warte nur, ich krieg ihn schon! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Wenn ich nicht irrte, hoerten wir |
| Geuebte Stimmen Chorus singen? |
| Gewiss Gesang musstrefflich hier |
| Von dieser Woelbung widerklingen! |
| |
| FROSCH: |
| Seid Ihr wohrgar ein Virtuos? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| O nein! die Kraft ist schwach, allein die Lust ist gross |
| |
| ALTMAYER: |
| Gebt uns ein Lied! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Wenn ihr begehrt, die Menge. |
| |
| SIEBEL: |
| Nur auch ein nagelneues Stueck! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Wir kommen erst aus Spanien zurueck, |
| Dem schoenen Land des Weins und der Gesaenge. |
| (Singt). |
| Es war einmal ein Koenig, |
| Der hatt einen grossn Floh- |
| |
| FROSCH: |
| Horcht! Einen Froh! Habt ihr das wohl gefass? |
| Ein Floh ist mir ein saubrer Gast. |
| |
| MEPHISTOPHELES (singt): |
| Es war einmal ein Koenig |
| Der hatt einen grossn Floh, |
| Den liebt, er gar nicht wenig, |
| Als wie seinen eignen Sohn. |
| Da rief er seinen Schneider, |
| Der Schneider kam heran: |
| Da, missdem Junker Kleider |
| Und missihm Hosen an! |
| |
| BRANDER: |
| Vergess nur nicht, dem Schneider einzuschaerfen, |
| Dasser mir aufs genauste miss, |
| Und dass so lieb sein Kopf ihm ist, |
| Die Hosen keine Falten werfen! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| In Sammet und in Seide |
| War er nun angetan |
| Hatte Baender auf dem Kleide, |
| Hatt auch ein Kreuz daran |
| Und war sogleich Minister, |
| Und hatt einen grossn Stern. |
| Da wurden seine Geschwister |
| Bei Hof auch gross Herrn. |
| |
| Und Herrn und Fraun am Hofe, |
| Die waren sehr geplagt, |
| Die Koenigin und die Zofe |
| Gestochen und genagt, |
| Und durften sie nicht knicken, |
| Und weg sie jucken nicht. |
| Wir knicken und ersticken |
| Doch gleich, wenn einer sticht. |
| |
| CHORUS (jauchzend): |
| Wir knicken und ersticken |
| Doch gleich, wenn einer sticht. |
| |
| FROSCH: |
| Bravo! Bravo! Das war schoen! |
| |
| SIEBEL: |
| So soll es jedem Floh ergehn! |
| |
| BRANDER: |
| Spitzt die Finger und packt sie fein! |
| |
| ALTMAYER: |
| Es lebe die Freiheit! Es lebe der Wein! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich traenke gern ein Glas, die Freiheit hoch zu ehren, |
| Wenn eure Weine nur ein bisshen besser waeren. |
| |
| SIEBEL: |
| Wir moegen das nicht wieder hoeren! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich fuerchte nur, der Wirt beschweret sich; |
| Sonst gaeb ich diesen werten Gaesten |
| Aus unserm Keller was zum besten. |
| |
| SIEBEL: |
| Nur immer her! ich nehm's auf mich. |
| |
| FROSCH: |
| Schafft Ihr ein gutes Glas, so wollen wir Euch loben. |
| Nur gebt nicht gar zu kleine Proben |
| Denn wenn ich judizieren soll, |
| Verlang ich auch das Maul recht voll. |
| |
| ALTMAYER (leise): |
| Sie sind vom Rheine, wie ich spuere. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Schafft einen Bohrer an! |
| |
| BRANDER: |
| Was soll mit dem geschehn? Ihr habt doch nicht die Faesser vor der Tuere? |
| |
| ALTMAYER: |
| Dahinten hat der Wirt ein Koerbchen Werkzeug stehn. |
| |
| MEPHISTOPHELES (nimmt den Bohrer. Zu Frosch): |
| Nun sagt, was wuenschet Ihr zu schmecken? |
| |
| FROSCH: |
| Wie meint Ihr das? Habt Ihr so mancherlei? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich stell es einem jeden frei. |
| |
| ALTMAYER (zu Frosch): |
| Aha! du faengst schon an, die Lippen abzulecken. |
| |
| FROSCH: |
| Gut! wenn ich waehlen soll, so will ich Rheinwein haben. |
| Das Vaterland verleiht die allerbesten Gaben. |
| |
| MEPHISTOPHELES (indem er an dem Platz, wo Frosch sitzt, ein Loch in den |
| Tischrand bohrt): |
| Verschafft ein wenig Wachs, die Pfropfen gleich zu machen! |
| |
| ALTMAYER: |
| Ach, das sind Taschenspielersachen. |
| |
| MEPHISTOPHELES (zu Brander): |
| Und Ihr? |
| |
| BRANDER: |
| Ich will Champagner Wein Und recht moussierend soll er sein! |
| (Mephistopheles bohrt; einer hat indessen die Wachspfropfen gemacht |
| und verstopft.) |
| Man kann nicht stets das Fremde meiden |
| Das Gute liegt uns oft so fern. |
| Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden, |
| Doch ihre Weine trinkt er gern. |
| |
| SIEBEL (indem sich Mephistopheles seinem Platze naehert): |
| Ich mussgestehn, den sauern mag ich nicht, |
| Gebt mir ein Glas vom echten suessn! |
| |
| MEPHISTOPHELES (bohrt): |
| Euch soll sogleich Tokayer fliessn. |
| |
| ALTMAYER: |
| Nein, Herren, seht mir ins Gesicht! |
| Ich seh es ein, ihr habt uns nur zum besten. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ei! Ei! Mit solchen edlen Gaesten |
| Waer es ein bisshen viel gewagt. |
| Geschwind! Nur grad heraus gesagt! |
| Mit welchem Weine kann ich dienen? |
| |
| ALTMAYER: |
| Mit jedem! Nur nicht lang gefragt. |
| (Nachdem die Loecher alle gebohrt und verstopft sind.) |
| |
| MEPHISTOPHELES (mit seltsamen Gebaerden): |
| Trauben traegt der Weinstock! |
| Hoerner der Ziegenbock; |
| Der Wein ist saftig, Holz die Reben, |
| Der hoelzerne Tisch kann Wein auch geben. |
| Ein tiefer Blick in die Natur! |
| Hier ist ein Wunder, glaubet nur! Nun zieht die Pfropfen und geniess! |
| |
| ALLE (indem sie die Pfropfen ziehen und jedem der verlangte Wein ins Glas |
| laeuft): |
| O schoener Brunnen, der uns fliess! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Nur huetet euch, dassihr mir nichts vergiess! |
| (Sie trinken wiederholt.) |
| |
| ALLE (singen): |
| Uns ist ganz kannibalisch wohl, |
| Als wie fuenfhundert Saeuen! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Das Volk ist frei, seht an, wie wohl's ihm geht! |
| |
| FAUST: |
| Ich haette Lust, nun abzufahren. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Gib nur erst acht, die Bestialitaet |
| Wird sich gar herrlich offenbaren. |
| |
| SIEBEL (trinkt unvorsichtig, der Wein fliess auf die Erde und wird zur |
| Flamme): |
| Helft! Feuer! helft! Die Hoelle brennt! |
| |
| MEPHISTOPHELES (die Flamme besprechend): |
| Sei ruhig, freundlich Element! |
| (Zu den Gesellen.) |
| Fuer diesmal war es nur ein Tropfen Fegefeuer. |
| |
| SIEBEL: |
| Was soll das sein? Wart! Ihr bezahlt es teuer! |
| Es scheinet, dassIhr uns nicht kennt. |
| |
| FROSCH: |
| LassEr uns das zum zweiten Male bleiben! |
| |
| ALTMAYER: |
| Ich daecht, wir hiessn ihn ganz sachte seitwaerts gehn. |
| |
| SIEBEL: |
| Was, Herr? Er will sich unterstehn, |
| Und hier sein Hokuspokus treiben? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Still, altes Weinfass |
| |
| SIEBEL: |
| Besenstiel! Du willst uns gar noch grob begegnen? |
| |
| BRANDER: |
| Wart nur, es sollen Schlaege regnen! |
| |
| ALTMAYER (zieht einen Pfropf aus dem Tisch, es springt ihm Feuer entgegen): |
| |
| Ich brenne! ich brenne! |
| Stoss zu! der Kerl ist vogelfrei! |
| (Sie ziehen die Messer und gehn auf Mephistopheles los.) |
| |
| MEPHISTOPHELES (mit ernsthafter Gebaerde): |
| Falsch Gebild und Wort |
| Veraendern Sinn und Ort! |
| Seid hier und dort! |
| (Sie stehn erstaunt und sehn einander an.) |
| |
| ALTMAYER: |
| Wo bin ich? Welches schoene Land! |
| |
| FROSCH: |
| Weinberge! Seh ich recht? |
| |
| SIEBEL: |
| Und Trauben gleich zur Hand! |
| |
| BRANDER: |
| Hier unter diesem gruenen Laube, |
| Seht, welch ein Stock! Seht, welche Traube! |
| (Er fass Siebeln bei der Nase. Die andern tun es wechselseitig und heben |
| die Messer.) |
| |
| MEPHISTOPHELES (wie oben): |
| Irrtum, lasslos der Augen Band! |
| Und merkt euch, wie der Teufel spass. |
| (Er verschwindet mit Faust, die Gesellen fahren auseinander. |
| |
| SIEBEL: |
| Was gibt s? |
| |
| ALTMAYER: |
| Wie? |
| |
| FROSCH: |
| War das deine Nase? |
| |
| BRANDER (zu Siebel): |
| Und deine hab ich in der Hand! |
| |
| ALTMAYER: |
| Es war ein Schlag, der ging durch alle Glieder! |
| Schafft einen Stuhl, ich sinke nieder! |
| |
| FROSCH: |
| Nein, sagt mir nur, was ist geschehn? |
| |
| FROSCH: |
| Wo ist der Kerl? Wenn ich ihn spuere, |
| Er soll mir nicht lebendig gehn! |
| |
| ALTMAYER: |
| Ich hab ihn selbst hinaus zur Kellertuere- |
| Auf einem Fasse reiten sehn-- |
| Es liegt mir bleischwer in den Fuessn. |
| (Sich nach dem Tische wendend.) |
| Mein! Sollte wohl der Wein noch fliessn? |
| |
| SIEBEL: |
| Betrug war alles, Lug und Schein. |
| |
| FROSCH: |
| Mir deuchte doch, als traenk ich Wein. |
| |
| BRANDER: |
| Aber wie war es mit den Trauben? |
| |
| ALTMAYER: |
| Nun sag mir eins, man soll kein Wunder glauben! |
| |
| |
| |
| Hexenkueche. |
| |
| |
| Auf einem niedrigen Herd steht ein grossr Kessel ueber dem Feuer. In dem |
| Dampfe, der davon in die Hoehe steigt, zeigen sich verschiedene Gestalten. |
| Eine Meerkatze sitzt bei dem Kessel und schaeumt ihn und sorgt, dasser nicht |
| ueberlaeuft. Der Meerkater mit den Jungen sitzt darneben und waermt sich. |
| Waende und Decke sind mit dem seltsamsten Hexenhausrat geschmueckt. |
| |
| Faust. Mephistopheles. |
| |
| FAUST: |
| Mir widersteht das tolle Zauberwesen! |
| Versprichst du mir, ich soll genesen |
| In diesem Wust von Raserei? |
| Verlang ich Rat von einem alten Weibe? |
| Und schafft die Sudelkoecherei |
| Wohl dreissg Jahre mir vom Leibe? |
| Weh mir, wenn du nichts Bessers weiss! |
| Schon ist die Hoffnung mir verschwunden. |
| Hat die Natur und hat ein edler Geist |
| Nicht irgendeinen Balsam ausgefunden? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Mein Freund, nun sprichst du wieder klug! |
| Dich zu verjuengen, gibt's auch ein natuerlich Mittel; |
| Allein es steht in einem andern Buch, |
| Und ist ein wunderlich Kapitel. |
| |
| FAUST: |
| Ich will es wissen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Gut! Ein Mittel, ohne Geld Und Arzt und Zauberei zu haben: |
| Begib dich gleich hinaus aufs Feld, |
| Fang an zu hacken und zu graben |
| Erhalte dich und deinen Sinn |
| In einem ganz beschraenkten Kreise, |
| Ernaehre dich mit ungemischter Speise, |
| Leb mit dem Vieh als Vieh, und acht es nicht fuer Raub, |
| Den Acker, den du erntest, selbst zu duengen; |
| Das ist das beste Mittel, glaub, |
| Auf achtzig Jahr dich zu verjuengen! |
| |
| FAUST: |
| Das bin ich nicht gewoehnt, ich kann mich nicht bequemen, |
| Den Spaten in die Hand zu nehmen. |
| Das enge Leben steht mir gar nicht an. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| So mussdenn doch die Hexe dran. |
| |
| FAUST: |
| Warum denn just das alte Weib! |
| Kannst du den Trank nicht selber brauen? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Das waer ein schoener Zeitvertreib! |
| Ich wollt indes wohl tausend Bruecken bauen. |
| Nicht Kunst und Wissenschaft allein, |
| Geduld will bei dem Werke sein. |
| Ein stiller Geist ist jahrelang geschaeftig, |
| Die Zeit nur macht die feine Gaerung kraeftig. |
| Und alles, was dazu gehoert, |
| Es sind gar wunderbare Sachen! |
| Der Teufel hat sie's zwar gelehrt; |
| Allein der Teufel kann's nicht machen. |
| (Die Tiere erblickend.) |
| Sieh, welch ein zierliches Geschlecht! |
| Das ist die Magd! das ist der Knecht! |
| (Zu den Tieren.) |
| Es scheint, die Frau ist nicht zu Hause? |
| |
| DIE TIERE: |
| Beim Schmause, |
| Aus dem Haus |
| Zum Schornstein hinaus! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Wie lange pflegt sie wohl zu schwaermen? |
| |
| DIE TIERE: |
| So lange wir uns die Pfoten waermen. |
| |
| MEPHISTOPHELES. (zu Faust): |
| Wie findest du die zarten Tiere? |
| |
| FAUST: |
| So abgeschmackt, als ich nur jemand sah! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Nein, ein Discours wie dieser da |
| Ist grade der, den ich am liebsten fuehre! |
| (zu den Tieren.) |
| So sagt mir doch, verfluchte Puppen, |
| Was quirlt ihr in dem Brei herum? |
| |
| DIE TIERE: |
| Wir kochen breite Bettelsuppen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Da habt ihr ein grossPublikum. |
| |
| DER KATER (macht sich herbei und schmeichelt dem Mephistopheles): |
| O wuerfle nur gleich, |
| Und mache mich reich, |
| Und lassmich gewinnen! |
| Gar schlecht ist's bestellt, |
| Und waer ich bei Geld, |
| So waer ich bei Sinnen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Wie gluecklich wuerde sich der Affe schaetzen, |
| Koennt er nur auch ins Lotto setzen! |
| (Indessen haben die jungen Meerkaetzchen mit einer grossn Kugel gespielt und |
| rollen sie hervor.) |
| |
| DER KATER: |
| Das ist die Welt; |
| Sie steigt und faellt |
| Und rollt bestaendig; |
| Sie klingt wie Glas- |
| Wie bald bricht das! |
| Ist hohl inwendig. |
| Hier glaenzt sie sehr, |
| Und hier noch mehr: |
| "Ich bin lebendig!" |
| Mein lieber Sohn, |
| Halt dich davon! |
| Du muss sterben! |
| Sie ist von Ton, |
| Es gibt Scherben. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Was soll das Sieb? |
| |
| DER KATER (holt es herunter): |
| Waerst du ein Dieb, |
| Wollt ich dich gleich erkennen. |
| (Er lauft zur Kaetzin und laess sie durchsehen.) |
| Sieh durch das Sieb! |
| Erkennst du den Dieb, |
| Und darfst ihn nicht nennen? |
| |
| MEPHISTOPHELES (sich dem Feuer naehernd): |
| Und dieser Topf? |
| |
| KATER UND KaeTZIN: |
| Der alberne Tropf! |
| Er kennt nicht den Topf, |
| Er kennt nicht den Kessel! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Unhoefliches Tier! |
| |
| DER KATER: |
| Den Wedel nimm hier, |
| Und setz dich in Sessel! |
| (Er noetigt den Mephistopheles zu sitzen.) |
| |
| FAUST (welcher diese Zeit ueber vor einem Spiegel gestanden, sich ihm bald |
| genaehert, bald sich von ihm entfernt hat): |
| Was seh ich? Welch ein himmlisch Bild |
| Zeigt sich in diesem Zauberspiegel! |
| O Liebe, leihe mir den schnellsten deiner Fluegel, |
| Und fuehre mich in ihr Gefild! |
| Ach wenn ich nicht auf dieser Stelle bleibe, |
| Wenn ich es wage, nah zu gehn, |
| Kann ich sie nur als wie im Nebel sehn!- |
| Das schoenste Bild von einem Weibe! |
| Ist's moeglich, ist das Weib so schoen? |
| Mussich an diesem hingestreckten Leibe |
| Den Inbegriff von allen Himmeln sehn? |
| So etwas findet sich auf Erden? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Natuerlich, wenn ein Gott sich erst sechs Tage plagt, |
| Und selbst am Ende Bravo sagt, |
| Da musses was Gescheites werden. |
| Fuer diesmal sieh dich immer satt; |
| Ich weissdir so ein Schaetzchen auszuspueren, |
| Und selig, wer das gute Schicksal hat, |
| Als Braeutigam sie heim zu fuehren! |
| (Faust sieht immerfort in den Spiegel. Mephistopheles, sich in dem Sessel |
| dehnend und mit dem Wedel spielend, faehrt fort zu sprechen.) |
| |
| Hier sitz ich wie der Koenig auf dem Throne, |
| Den Zepter halt ich hier, es fehlt nur noch die Krone. |
| |
| DIE TIERE (welche bisher allerlei wunderliche Bewegungen durcheinander |
| gemacht haben, bringen dem Mephistopheles eine Krone mit grossm Geschrei): |
| O sei doch so gut, |
| Mit Schweissund mit Blut |
| Die Krone zu leimen! |
| (Sie gehn ungeschickt mit der Krone um und zerbrechen sie in zwei Stuecke, |
| mit welchen sie herumspringen.) |
| |
| Nun ist es geschehn! |
| Wir reden und sehn, |
| Wir hoeren und reimen- |
| |
| FAUST (gegen den Spiegel): |
| Weh mir! ich werde schier verrueckt. |
| |
| MEPHISTOPHELES (auf die Tiere deutend): |
| Nun faengt mir an fast selbst der Kopf zu schwanken. |
| |
| DIE TIERE: |
| Und wenn es uns glueckt, |
| Und wenn es sich schickt, |
| So sind es Gedanken! |
| |
| FAUST (wie oben): |
| Mein Busen faengt mir an zu brennen! |
| Entfernen wir uns nur geschwind! |
| |
| MEPHISTOPHELES (in obiger Stellung): |
| Nun, wenigstens mussman bekennen, |
| Dasses aufrichtige Poeten sind. |
| (Der Kessel, welchen die Katzin bisher aussr acht gelassen, faengt an |
| ueberzulaufen, es entsteht eine gross Flamme, welche zum Schornstein hinaus |
| schlaegt. Die Hexe kommt durch die Flamme mit entsetzlichem Geschrei |
| herunter gefahren.) |
| |
| DIE HEXE: |
| Au! Au! Au! Au! |
| Verdammtes Tier! verfluchte Sau! |
| Versaeumst den Kessel, versengst die Frau! |
| Verfluchtes Tier! |
| (Faust und Mephistopheles erblickend.) |
| Was ist das hier? |
| Wer seid ihr hier? |
| Was wollt ihr da? |
| Wer schlich sich ein? |
| Die Feuerpein |
| Euch ins Gebein! |
| (Sie fahrt mit dem Schaumloeffel in den Kessel und spritzt Flammen nach |
| Faust, Mephistopheles und den Tieren. Die Tiere winseln.) |
| |
| MEPHISTOPHELES (welcher den Wedel, den er in der Hand haelt, umkehrt und |
| unter die Glaeser und Toepfe schlaegt): |
| Entzwei! entzwei! |
| Da liegt der Brei! |
| Da liegt das Glas! |
| Es ist nur Spass |
| Der Takt, du Aas, |
| Zu deiner Melodei. |
| (Indem die Hexe voll Grimm und Entsetzen zuruecktritt.) |
| Erkennst du mich? Gerippe! Scheusal du! |
| Erkennst du deinen Herrn und Meister? |
| Was haelt mich ab, so schlag ich zu, |
| Zerschmettre dich und deine Katzengeister! |
| Hast du vorm roten Wams nicht mehr Respekt? |
| Kannst du die Hahnenfeder nicht erkennen? |
| Hab ich dies Angesicht versteckt? |
| Soll ich mich etwa selber nennen? |
| |
| DIE HEXE: |
| O Herr, verzeiht den rohen Gruss |
| Seh ich doch keinen Pferdefuss |
| Wo sind denn Eure beiden Raben? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Fuer diesmal kommst du so davon; |
| Denn freilich ist es eine Weile schon, |
| Dasswir uns nicht gesehen haben. |
| Auch die Kultur, die alle Welt beleckt, |
| Hat auf den Teufel sich erstreckt; |
| Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen; |
| Wo siehst du Hoerner, Schweif und Klauen? |
| Und was den Fussbetrifft, den ich nicht missen kann, |
| Der wuerde mir bei Leuten schaden; |
| Darum bedien ich mich, wie mancher junge Mann, |
| Seit vielen Jahren falscher Waden. |
| |
| DIE HEXE (tanzend): |
| Sinn und Verstand verlier ich schier, |
| Seh ich den Junker Satan wieder hier! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Den Namen, Weib, verbitt ich mir! |
| |
| DIE HEXE: |
| Warum? Was hat er Euch getan? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Er ist schon lang ins Fabelbuch geschrieben; |
| Allein die Menschen sind nichts besser dran, |
| Den Boesen sind sie los, die Boesen sind geblieben. |
| Du nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut; |
| Ich bin ein Kavalier, wie andre Kavaliere. |
| Du zweifelst nicht an meinem edlen Blut; |
| Sieh her, das ist das Wappen, das ich fuehre! |
| (Er macht eine unanstaendige Gebaerde.) |
| |
| DIE HEXE (lacht unmaessg): |
| Ha! Ha! Das ist in Eurer Art! |
| Ihr seid ein Schelm, wie Ihr nur immer wart! |
| |
| MEPHISTOPHELES (zu Faust): |
| Mein Freund, das lerne wohl verstehn! |
| Dies ist die Art, mit Hexen umzugehn. |
| |
| DIE HEXE: |
| Nun sagt, ihr Herren, was ihr schafft. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ein gutes Glas von dem bekannten Saft! |
| Doch mussich Euch ums aeltste bitten; |
| Die Jahre doppeln seine Kraft. |
| |
| DIE HEXE: |
| Gar gern! Hier hab ich eine Flasche, |
| Aus der ich selbst zuweilen nasche, |
| Die auch nicht mehr im mindsten stinkt; |
| Ich will euch gern ein Glaeschen geben. |
| (Leise.) |
| Doch wenn es dieser Mann unvorbereitet trinkt |
| So kann er, wiss Ihr wohl, nicht eine Stunde leben. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Es ist ein guter Freund, dem es gedeihen soll; |
| Ich goenn ihm gern das Beste deiner Kueche. |
| Zieh deinen Kreis, sprich deine Sprueche, |
| Und gib ihm eine Tasse voll! |
| (Die Hexe, mit seltsamen Gebaerden, zieht einen Kreis und stellt wunderbare |
| Sachen hinein; indessen fangen die Glaeser an zu klingen, die Kessel zu |
| toenen, und machen Musik. Zuletzt bringt sie ein grosss Buch, stellt die |
| Meerkatzen in den Kreis, die ihr zum Pult dienen und die Fackel halten |
| muessen. Sie winkt Fausten, zu ihr zu treten.) |
| |
| FAUST (zu Mephistopheles): |
| Nein, sage mir, was soll das werden? |
| Das tolle Zeug, die rasenden Gebaerden, |
| Der abgeschmackteste Betrug, |
| Sind mir bekannt, verhass genug. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ei Possen! Das ist nur zum Lachen; |
| Sei nur nicht ein so strenger Mann! |
| Sie mussals Arzt ein Hokuspokus machen, |
| Damit der Saft dir wohl gedeihen kann. |
| (Er noetigt Fausten, in den Kreis zu treten.) |
| |
| DIE HEXE (mit grossr Emphase faengt an, aus dem Buche zu deklamieren): |
| Du muss verstehn! |
| Aus Eins mach Zehn, |
| Und Zwei lassgehn, |
| Und Drei mach gleich, |
| So bist du reich. |
| Verlier die Vier! |
| Aus Fuenf und Sechs, |
| So sagt die Hex, |
| Mach Sieben und Acht, |
| So ist's vollbracht: |
| Und Neun ist Eins, |
| Und Zehn ist keins. |
| Das ist das Hexen-Einmaleins! |
| |
| FAUST: |
| Mich duenkt, die Alte spricht im Fieber. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Das ist noch lange nicht vorueber, |
| Ich kenn es wohl, so klingt das ganze Buch; |
| Ich habe manche Zeit damit verloren, |
| Denn ein vollkommner Widerspruch |
| Bleibt gleich geheimnisvoll fuer Kluge wie fuer Toren. |
| Mein Freund, die Kunst ist alt und neu. |
| Es war die Art zu allen Zeiten, |
| Durch Drei und Eins, und Eins und Drei |
| Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten. |
| So schwaetzt und lehrt man ungestoert; |
| Wer will sich mit den Narrn befassen? |
| Gewoehnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hoert, |
| Es muesse sich dabei doch auch was denken lassen. |
| |
| DIE HEXE (faehrt fort): |
| Die hohe Kraft |
| Der Wissenschaft, |
| Der ganzen Welt verborgen! |
| Und wer nicht denkt, |
| Dem wird sie geschenkt, |
| Er hat sie ohne Sorgen. |
| |
| FAUST: |
| Was sagt sie uns fuer Unsinn vor? |
| Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen. |
| Mich duenkt, ich hoer ein ganzes Chor |
| Von hunderttausend Narren sprechen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Genug, genug, o treffliche Sibylle! |
| Gib deinen Trank herbei, und fuelle |
| Die Schale rasch bis an den Rand hinan; |
| Denn meinem Freund wird dieser Trunk nicht schaden: |
| Er ist ein Mann von vielen Graden, |
| Der manchen guten Schluck getan. |
| (Die Hexe, mit vielen Zeremonien, schenkt den Trank in eine Schale, |
| wie sie Faust an den Mund bringt, entsteht eine leichte Flamme.) |
| |
| Nur frisch hinunter! Immer zu! |
| Es wird dir gleich das Herz erfreuen. |
| Bist mit dem Teufel du und du, |
| Und willst dich vor der Flamme scheuen? |
| (Die Hexe loest den Kreis. Faust tritt heraus.) |
| |
| Nun frisch hinaus! Du darfst nicht ruhn. |
| |
| DIE HEXE: |
| Moeg Euch das Schlueckchen wohl behagen! |
| |
| MEPHISTOPHELES (zur Hexe): |
| Und kann ich dir was zu Gefallen tun, |
| So darfst du mir's nur auf Walpurgis sagen. |
| |
| DIE HEXE: |
| Hier ist ein Lied! wenn Ihr's zuweilen singt, |
| So werdet Ihr besondre Wirkung spueren. |
| |
| MEPHISTOPHELES (zu Faust): |
| Komm nur geschwind und lassdich fuehren; |
| Du muss notwendig transpirieren, |
| Damit die Kraft durch Inn- und aeusses dringt. |
| Den edlen Muessggang lehr ich hernach dich schaetzen, |
| Und bald empfindest du mit innigem Ergetzen, |
| Wie sich Cupido regt und hin und wider springt. |
| |
| FAUST: |
| Lassmich nur schnell noch in den Spiegel schauen! |
| Das Frauenbild war gar zu schoen! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Nein! Nein! Du sollst das Muster aller Frauen |
| Nun bald leibhaftig vor dir sehn. |
| (Leise.) |
| |
| Du siehst, mit diesem Trank im Leibe, |
| Bald Helenen in jedem Weibe. |
| |
| |
| |
| Strass (I) |
| |
| Faust. Margarete voruebergehend. |
| |
| FAUST: |
| Mein schoenes Fraeulein, darf ich wagen, |
| Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen? |
| |
| MARGARETE: |
| Bin weder Fraeulein, weder schoen, |
| Kann ungeleitet nach Hause gehn. |
| (Sie macht sich los und ab.) |
| |
| FAUST: |
| Beim Himmel, dieses Kind ist schoen! |
| So etwas hab ich nie gesehn. |
| Sie ist so sitt- und tugendreich, |
| Und etwas schnippisch doch zugleich. |
| Der Lippe Rot, der Wange Licht, |
| Die Tage der Welt vergessich's nicht! |
| Wie sie die Augen niederschlaegt, |
| Hat tief sich in mein Herz gepraegt; |
| Wie sie kurz angebunden war, |
| Das ist nun zum Entzuecken gar! |
| (Mephistopheles tritt auf.) |
| |
| FAUST: |
| Hoer, du muss mir die Dirne schaffen! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Nun, welche? |
| |
| FAUST: |
| Sie ging just vorbei. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Da die? Sie kam von ihrem Pfaffen, |
| Der sprach sie aller Suenden frei |
| Ich schlich mich hart am Stuhl vorbei, |
| Es ist ein gar unschuldig Ding, |
| Das eben fuer nichts zur Beichte ging; |
| ueber die hab ich keine Gewalt! |
| |
| FAUST: |
| Ist ueber vierzehn Jahr doch alt. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Du sprichst ja wie Hans Liederlich, |
| Der begehrt jede liebe Blum fuer sich, |
| Und duenkelt ihm, es waer kein Ehr |
| Und Gunst, die nicht zu pfluecken waer; |
| Geht aber doch nicht immer an. |
| |
| FAUST: |
| Mein Herr Magister Lobesan, |
| LassEr mich mit dem Gesetz in Frieden! |
| Und das sag ich Ihm kurz und gut: |
| Wenn nicht das suess junge Blut |
| Heut Nacht in meinen Armen ruht, |
| So sind wir um Mitternacht geschieden. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Bedenkt, was gehn und stehen mag! |
| Ich brauche wenigstens vierzehn Tag, |
| Nur die Gelegenheit auszuspueren. |
| |
| FAUST: |
| Haett ich nur sieben Stunden Ruh, |
| Brauchte den Teufel nicht dazu |
| So ein Geschoepfchen zu verfuehren. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ihr sprecht schon fast wie ein Franzos; |
| Doch bitt ich, lass's Euch nicht verdriessn: |
| Was hilft's, nur grade zu geniessn? |
| Die Freud ist lange nicht so gross |
| Als wenn Ihr erst herauf, herum |
| Durch allerlei Brimborium, |
| Das Pueppchen geknetet und zugericht't |
| Wie's lehret manche welsche Geschicht. |
| |
| FAUST: |
| Hab Appetit auch ohne das. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Jetzt ohne Schimpf und ohne Spass |
| Ich sag Euch, mit dem schoenen Kind |
| Geht's ein fuer allemal nicht geschwind. |
| Mit Sturm ist da nichts einzunehmen; |
| Wir muessen uns zur List bequemen. |
| |
| FAUST: |
| Schaff mir etwas vom Engelsschatz! |
| Fuehr mich an ihren Ruheplatz! |
| Schaff mir ein Halstuch von ihrer Brust, |
| Ein Strumpfband meiner Liebeslust! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Damit Ihr seht, dassich Eurer Pein |
| Will foerderlich und dienstlich sein' |
| Wollen wir keinen Augenblick verlieren, |
| Will Euch noch heut in ihr Zimmer fuehren. |
| |
| FAUST: |
| Und soll sie sehn? sie haben? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Nein! Sie wird bei einer Nachbarin sein. |
| Indessen koennt Ihr ganz allein |
| An aller Hoffnung kuenft'ger Freuden |
| In ihrem Dunstkreis satt Euch weiden. |
| |
| FAUST: |
| Koennen wir hin? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Es ist noch zu frueh. |
| FAUST: |
| Sorg du mir fuer ein Geschenk fuer sie! |
| (Ab.) |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Gleich schenken? Das ist brav! Da wird er reuessieren! |
| Ich kenne manchen schoenen Platz |
| Und manchen altvergrabnen Schatz; |
| Ich mussein bisshen revidieren. |
| (Ab.) |
| |
| |
| |
| |
| Abend. Ein kleines reinliches Zimmer |
| |
| Margarete ihre Zoepfe flechtend und aufbindend. |
| |
| Ich gaeb was drum, wenn ich nur wuess, |
| Wer heut der Herr gewesen ist! |
| Er sah gewissrecht wacker aus |
| Und ist aus einem edlen Haus; |
| Das konnt ich ihm an der Stirne lesen- |
| Er waer auch sonst nicht so keck gewesen. |
| (Ab.) |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Herein, ganz leise, nur herein! |
| |
| FAUST (nach einigem Stillschweigen): |
| Ich bitte dich, lassmich allein! |
| |
| MEPHISTOPHELES (herumspuerend): |
| Nicht jedes Maedchen haelt so rein. |
| (Ab.) |
| |
| FAUST (rings aufschauend): |
| Willkommen, suessr Daemmerschein, |
| Der du dies Heiligtum durchwebst! |
| Ergreif mein Herz, du suess Liebespein, |
| Die du vom Tau der Hoffnung schmachtend lebst! |
| Wie atmet rings Gefuehl der Stille, |
| Der Ordnung, der Zufriedenheit! |
| In dieser Armut welche Fuelle! |
| In diesem Kerker welche Seligkeit! |
| (Er wirft sich auf den ledernen Sessel am Bette.) |
| |
| O nimm mich auf, der du die Vorwelt schon |
| Bei Freud und Schmerz im offnen Arm empfangen! |
| Wie oft, ach! hat an diesem Vaeterthron |
| Schon eine Schar von Kindern rings gehangen! |
| Vielleicht hat, dankbar fuer den heil'gen Christ |
| Mein Liebchen hier, mit vollen Kinderwangen, |
| Dem Ahnherrn fromm die welke Hand gekuess. |
| Ich fuehl o Maedchen, deinen Geist |
| Der Fuell und Ordnung um mich saeuseln, |
| Der muetterlich dich taeglich unterweist |
| Den Teppich auf den Tisch dich reinlich breiten heiss, |
| Sogar den Sand zu deinen Fuessn kraeuseln. |
| O liebe Hand! so goettergleich! |
| Die Huette wird durch dich ein Himmelreich. |
| Und hier! |
| (Er hebt einen Bettvorhang auf.) |
| |
| Was fass mich fuer ein Wonnegraus! Hier moecht ich volle Stunden saeumen. |
| Natur, hier bildetest in leichten Traeumen |
| Den eingebornen Engel aus! |
| Hier lag das Kind! mit warmem Leben |
| Den zarten Busen angefuellt, |
| Und hier mit heilig reinem Weben |
| Entwirkte sich das Goetterbild! |
| |
| Und du! Was hat dich hergefuehrt? |
| Wie innig fuehl ich mich geruehrt! |
| Was willst du hier? Was wird das Herz dir schwer? |
| Armsel'ger Faust! ich kenne dich nicht mehr. |
| |
| Umgibt mich hier ein Zauberduft? |
| Mich drang's, so grade zu geniessn, |
| Und fuehle mich in Liebestraum zerfliessn! |
| Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft? |
| |
| Und traete sie den Augenblick herein, |
| Wie wuerdest du fuer deinen Frevel buessn! |
| Der gross Hans, ach wie so klein! |
| Laeg, hingeschmolzen, ihr zu Fuessn. |
| |
| MEPHISTOPHELES (kommt): |
| Geschwind! ich seh sie unten kommen. |
| |
| FAUST: |
| Fort! Fort! Ich kehre nimmermehr! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Hier ist ein Kaestchen leidlich schwer, |
| Ich hab's wo anders hergenommen. |
| Stellt's hier nur immer in den Schrein, |
| Ich schwoer Euch, ihr vergehn die Sinnen; |
| Ich tat Euch Saechelchen hinein, |
| Um eine andre zu gewinnen. |
| Zwar Kind ist Kind, und Spiel ist Spiel. |
| |
| FAUST: |
| Ich weissnicht, soll ich? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Fragt Ihr viel? Meint Ihr vielleicht den Schatz zu wahren? |
| Dann rat ich Eurer Luesternheit, |
| Die liebe schoene Tageszeit |
| Und mir die weitre Mueh zu sparen. |
| Ich hoff nicht, dassIhr geizig seid! |
| Ich kratz den Kopf, reib an den Haenden- |
| (Er stellt das Kaestchen in den Schrein und drueckt das Schlosswieder zu.) |
| Nur fort! geschwind! |
| Um Euch das suess junge Kind |
| Nach Herzens Wunsch und Will zu wenden; |
| Und Ihr seht drein |
| Als solltet Ihr in den Hoersaal hinein, |
| Als stuenden grau leibhaftig vor Euch da |
| Physik und Metaphysika! |
| Nur fort! |
| (Ab.) |
| |
| |
| Margarete mit einer Lampe. |
| |
| Es ist so schwuel, so dumpfig hie |
| (sie macht das Fenster auf) |
| Und ist doch eben so warm nicht drauss |
| Es wird mir so, ich weissnicht wie- |
| Ich wollt, die Mutter kaem nach Haus. |
| Mir laeuft ein Schauer uebern ganzen Leib- |
| Bin doch ein toericht furchtsam Weib! |
| (sie faengt an zu singen, indem sie sich auszieht.) |
| |
| Es war ein Koenig in Thule |
| Gar treu bis an das Grab, |
| Dem sterbend seine Buhle |
| Einen goldnen Becher gab. |
| |
| Es ging ihm nichts darueber, |
| Er leert ihn jeden Schmaus; |
| Die Augen gingen ihm ueber, |
| Sooft er trank daraus. |
| |
| Und als er kam zu sterben, |
| Zaehlt er seine Staedt im Reich, |
| Goennt alles seinem Erben, |
| Den Becher nicht zugleich. |
| |
| Er sassbeim Koenigsmahle, |
| Die Ritter um ihn her, |
| Auf hohem Vaetersaale, |
| Dort auf dem Schlossam Meer. |
| |
| Dort stand der alte Zecher, |
| Trank letzte Lebensglut |
| Und warf den heiligen Becher |
| Hinunter in die Flut. |
| |
| Er sah ihn stuerzen, trinken |
| Und sinken tief ins Meer, |
| Die Augen taeten ihm sinken, |
| Trank nie einen Tropfen mehr. |
| |
| (Sie eroeffnet den Schrein, ihre Kleider einzuraeumen, und erblickt das |
| Schmuckkaestchen.) |
| |
| Wie kommt das schoene Kaestchen hier herein? |
| Ich schlossdoch ganz gewissden Schrein. |
| Es ist doch wunderbar! Was mag wohl drinne sein? |
| Vielleicht bracht's jemand als ein Pfand, |
| Und meine Mutter lieh darauf. |
| Da haengt ein Schluesselchen am Band |
| Ich denke wohl, ich mach es auf! |
| Was ist das? Gott im Himmel! Schau, |
| So was hab ich mein Tage nicht gesehn! |
| Ein Schmuck! Mit dem koennt eine Edelfrau |
| Am hoechsten Feiertage gehn. |
| Wie sollte mir die Kette stehn? |
| Wem mag die Herrlichkeit gehoeren? |
| |
| (Sie putzt sich damit auf und tritt vor den Spiegel.) |
| |
| Wenn nur die Ohrring meine waeren! |
| Man sieht doch gleich ganz anders drein. |
| Was hilft euch Schoenheit, junges Blut? |
| Das ist wohl alles schoen und gut, |
| Allein man laess's auch alles sein; |
| Man lobt euch halb mit Erbarmen. |
| Nach Golde draengt, |
| Am Golde haengt |
| Doch alles. Ach wir Armen! |
| |
| |
| |
| Spaziergang |
| |
| Faust in Gedanken auf und ab gehend. Zu ihm Mephistopheles. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Bei aller verschmaehten Liebe! Beim hoellischen Elemente! |
| Ich wollt, ich wuesse was aergers, dassich's fluchen koennte! |
| |
| FAUST: |
| Was hast? was kneipt dich denn so sehr? |
| So kein Gesicht sah ich in meinem Leben! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich moecht mich gleich dem Teufel uebergeben, |
| Wenn ich nur selbst kein Teufel waer! |
| |
| FAUST: |
| Hat sich dir was im Kopf verschoben? |
| Dich kleidet's wie ein Rasender zu toben! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Denkt nur, den Schmuck, fuer Gretchen angeschafft, |
| Den hat ein Pfaff hinweggerafft! |
| Die Mutter kriegt das Ding zu schauen |
| Gleich faengt's ihr heimlich an zu grauen, |
| Die Frau hat gar einen feinen Geruch, |
| Schnuffelt immer im Gebetbuch |
| Und riecht's einem jeden Moebel an, |
| Ob das Ding heilig ist oder profan; |
| Und an dem Schmuck da spuert, sie's klar, |
| Dassdabei nicht viel Segen war. |
| "Mein Kind", rief sie, "ungerechtes Gut |
| Befaengt die Seele, zehrt auf das Blut. |
| Wollen's der Mutter Gottes weihen, |
| Wird uns mit Himmelsmanna erfreuen!" |
| Margretlein zog ein schiefes Maul, |
| Ist halt, dacht sie, ein geschenkter Gaul, |
| Und wahrlich! gottlos ist nicht der, |
| Der ihn so fein gebracht hierher. |
| Die Mutter liesseinen Pfaffen kommen; |
| Der hatte kaum den Spassvernommen, |
| Liesssich den Anblick wohl behagen. |
| Er sprach: "So ist man recht gesinnt! |
| Wer ueberwindet, der gewinnt. |
| Die Kirche hat einen guten Magen, |
| Hat ganze Laender aufgefressen |
| Und doch noch nie sich uebergessen; |
| Die Kirch allein, meine lieben Frauen, |
| Kann ungerechtes Gut verdauen." |
| |
| FAUST: |
| Das ist ein allgemeiner Brauch, |
| Ein Jud und Koenig kann es auch. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Strich drauf ein Spange, Kett und Ring', |
| Als waeren's eben Pfifferling', |
| Dankt' nicht weniger und nicht mehr, |
| Als ob's ein Korb voll Nuesse waer, |
| Versprach ihnen allen himmlischen Lohn- |
| Und sie waren sehr erbaut davon. |
| |
| FAUST: |
| Und Gretchen? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Sitzt nun unruhvoll, Weissweder, was sie will noch soll, |
| Denkt ans Geschmeide Tag und Nacht, |
| Noch mehr an den, der's ihr gebracht. |
| |
| FAUST: |
| Des Liebchens Kummer tut mir leid. |
| Schaff du ihr gleich ein neu Geschmeid! |
| Am ersten war ja so nicht viel. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| O ja, dem Herrn ist alles Kinderspiel! |
| |
| FAUST: |
| Und mach, und richt's nach meinem Sinn, |
| Haeng dich an ihre Nachbarin! |
| Sei, Teufel, doch nur nicht wie Brei, |
| Und schaff einen neuen Schmuck herbei! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ja, gnaed'ger Herr, von Herzen gerne. |
| (Faust ab.) |
| |
| So ein verliebter Tor verpufft |
| Euch Sonne, Mond und alle Sterne |
| Zum Zeitvertreib dem Liebchen in die Luft. |
| (Ab.) |
| |
| |
| |
| |
| Der Nachbarin Haus |
| |
| Marthe allein. |
| |
| |
| Gott verzeih's meinem lieben Mann, |
| Er hat an mir nicht wohl getan! |
| Geht da stracks in die Welt hinein |
| Und laess mich auf dem Stroh allein. |
| Taet ihn doch wahrlich nicht betrueben, |
| Taet ihn, weissGott, recht herzlich lieben. |
| (Sie weint.) |
| Vielleicht ist er gar tot!- O Pein!- |
| Haett ich nur einen Totenschein! |
| |
| (Margarete kommt.) |
| |
| MARGARETE: |
| Frau Marthe! |
| |
| MARTHE: |
| Gretelchen, was soll's? |
| |
| MARGARETE: |
| Fast sinken mir die Kniee nieder! |
| Da find ich so ein Kaestchen wieder |
| In meinem Schrein, von Ebenholz, |
| Und Sachen herrlich ganz und gar, |
| Weit reicher, als das erste war. |
| |
| MARTHE: |
| Das mussSie nicht der Mutter sagen; |
| Taet's wieder gleich zur Beichte tragen. |
| |
| MARGARETE: |
| Ach seh Sie nur! ach schau Sie nur! |
| |
| MARTHE (putzt sie auf): |
| O du gluecksel'ge Kreatur! |
| |
| MARGARETE: |
| Darf mich, leider, nicht auf der Gassen |
| Noch in der Kirche mit sehen lassen. |
| |
| MARTHE: |
| Komm du nur oft zu mir herueber, |
| Und leg den Schmuck hier heimlich an; |
| Spazier ein Stuendchen lang dem Spiegelglas vorueber, |
| Wir haben unsre Freude dran; |
| Und dann gibt's einen Anlass gibt's ein Fest, |
| Wo man's so nach und nach den Leuten sehen laess. |
| Ein Kettchen erst, die Perle dann ins Ohr; |
| Die Mutter sieht's wohl nicht, man macht ihr auch was vor. |
| |
| MARGARETE: |
| Wer konnte nur die beiden Kaestchen bringen? |
| Es geht nicht zu mit rechten Dingen! |
| (Es klopft.) |
| |
| Ach Gott! mag das meine Mutter sein? |
| |
| MARTHE (durchs Vorhaengel guckend): |
| Es ist ein fremder Herr- Herein! |
| |
| (Mephistopheles tritt auf.) |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Bin so frei, grad hereinzutreten, |
| Mussbei den Frauen Verzeihn erbeten. |
| (Tritt ehrerbietig vor Margareten zurueck.) |
| |
| Wollte nach Frau Marthe Schwerdtlein fragen! |
| |
| MARTHE: |
| Ich bin's, was hat der Herr zu sagen? |
| |
| MEPHISTOPHELES (leise zu ihr): |
| Ich kenne Sie jetzt, mir ist das genug; |
| Sie hat da gar vornehmen Besuch. |
| Verzeiht die Freiheit, die ich genommen, |
| Will Nachmittage wiederkommen. |
| |
| MARTHE (lacht): |
| Denk, Kind, um alles in der Welt! |
| Der Herr dich fuer ein Fraeulein haelt. |
| |
| MARGARETE: |
| Ich bin ein armes junges Blut; |
| Ach Gott! der Herr ist gar zu gut: |
| Schmuck und Geschmeide sind nicht mein. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ach, es ist nicht der Schmuck allein; |
| Sie hat ein Wesen, einen Blick so scharf! |
| Wie freut mich's, dassich bleiben darf. |
| |
| MARTHE: |
| Was bringt Er denn? Verlange sehr- |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich wollt, ich haett eine frohere Maer!- |
| Ich hoffe, Sie laess mich's drum nicht buessn: |
| Ihr Mann ist tot und laess Sie gruessn. |
| |
| MARTHE: |
| Ist tot? das treue Herz! O weh! |
| Mein Mann ist tot! Ach ich vergeh! |
| |
| MARGARETE: |
| Ach! liebe Frau, verzweifelt nicht! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| So hoert die traurige Geschicht! |
| |
| MARGARETE: |
| Ich moechte drum mein' Tag' nicht lieben, |
| Wuerde mich Verlust zu Tode betrueben. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Freud mussLeid, Leid mussFreude haben. |
| |
| MARTHE: |
| Erzaehlt mir seines Lebens Schluss |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Er liegt in Padua begraben |
| Beim heiligen Antonius |
| An einer wohlgeweihten Staette |
| Zum ewig kuehlen Ruhebette. |
| |
| MARTHE: |
| Habt Ihr sonst nichts an mich zu bringen? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ja, eine Bitte, grossund schwer: |
| LassSie doch ja fuer ihn dreihundert Messen singen! |
| Im uebrigen sind meine Taschen leer. |
| |
| MARTHE: |
| Was! nicht ein Schaustueck? kein Geschmeid? |
| Was jeder Handwerksbursch im Grund des Saeckels spart, |
| Zum Angedenken aufbewahrt, |
| Und lieber hungert, lieber bettelt! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Madam, es tut mir herzlich leid; |
| Allein er hat sein Geld wahrhaftig nicht verzettelt. |
| Auch er bereute seine Fehler sehr, |
| Ja, und bejammerte sein Unglueck noch viel mehr. |
| |
| MARGARETE: |
| Ach! dassdie Menschen so ungluecklich sind! |
| Gewiss ich will fuer ihn manch Requiem noch beten. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ihr waeret wert, gleich in die Eh zu treten: |
| Ihr seid ein liebenswuerdig Kind. |
| |
| MARGARETE: |
| Ach nein, das geht jetzt noch nicht an. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ist's nicht ein Mann, sei's derweil ein Galan. |
| 's ist eine der groessen Himmelsgaben, |
| So ein lieb Ding im Arm zu haben. |
| |
| MARGARETE: |
| Das ist des Landes nicht der Brauch. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Brauch oder nicht! Es gibt sich auch. |
| |
| MARTHE: |
| Erzaehlt mir doch! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich stand an seinem Sterbebette, Es war was besser als von Mist, |
| Von halbgefaultem Stroh; allein er starb als Christ |
| Und fand, dasser weit mehr noch auf der Zeche haette. |
| "Wie", rief er, "mussich mich von Grund aus hassen, |
| So mein Gewerb, mein Weib so zu verlassen! |
| Ach, die Erinnrung toetet mich |
| Vergaeb sie mir nur noch in diesem Leben!" |
| |
| MARTHE (weinend): |
| Der gute Mann! ich hab ihm laengst vergeben. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| "Allein, weissGott! sie war mehr schuld als ich." |
| |
| MARTHE: |
| Das luegt er! Was! am Rand des Grabs zu luegen! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Er fabelte gewissin letzten Zuegen, |
| Wenn ich nur halb ein Kenner bin. |
| "Ich hatte", sprach er, "nicht zum Zeitvertreib zu gaffen |
| Erst Kinder, und dann Brot fuer sie zu schaffen, |
| Und Brot im allerweitsten Sinn, |
| Und konnte nicht einmal mein Teil in Frieden essen." |
| |
| MARTHE: |
| Hat er so aller Treu, so aller Lieb vergessen, |
| Der Plackerei bei Tag und Nacht! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Nicht doch, er hat Euch herzlich dran gedacht. |
| Er sprach: "Als ich nun weg von Malta ging |
| Da betet ich fuer Frau und Kinder bruenstig; |
| Uns war denn auch der Himmel guenstig, |
| Dassunser Schiff ein tuerkisch Fahrzeug fing, |
| Das einen Schatz des grossn Sultans fuehrte. |
| Da ward der Tapferkeit ihr Lohn, |
| Und ich empfing denn auch, wie sich's gebuehrte, |
| Mein wohlgemesses Teil davon." |
| |
| MARTHE: |
| Ei wie? Ei wo? Hat er's vielleicht vergraben? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Wer weiss wo nun es die vier Winde haben. |
| Ein schoenes Fraeulein nahm sich seiner an, |
| Als er in Napel fremd umherspazierte; |
| Sie hat an ihm viel Liebs und Treus getan, |
| Dasser's bis an sein selig Ende spuerte. |
| |
| MARTHE: |
| Der Schelm! der Dieb an seinen Kindern! |
| Auch alles Elend, alle Not |
| Konnt nicht sein schaendlich Leben hindern! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ja seht! dafuer ist er nun tot. |
| Waer ich nun jetzt an Eurem Platze, |
| Betraurt ich ihn ein zuechtig Jahr, |
| Visierte dann unterweil nach einem neuen Schatze. |
| |
| MARTHE: |
| Ach Gott! wie doch mein erster war, |
| Find ich nicht leicht auf dieser Welt den andern! |
| Es konnte kaum ein herziger Naerrchen sein. |
| Er liebte nur das allzuviele Wandern |
| Und fremde Weiber und fremden Wein |
| Und das verfluchte Wuerfelspiel. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Nun, nun, so konnt es gehn und stehen, |
| Wenn er Euch ungefaehr so viel |
| Von seiner Seite nachgesehen. |
| Ich schwoer Euch zu, mit dem Beding |
| Wechselt ich selbst mit Euch den Ring! |
| |
| MARTHE: |
| O es beliebt dem Herrn zu scherzen! |
| |
| MEPHISTOPHELES (fuer sich): |
| Nun mach ich mich beizeiten fort! |
| Die hielte wohl den Teufel selbst beim Wort. |
| (Zu Gretchen.) |
| Wie steht es denn mit Ihrem Herzen? |
| |
| MARGARETE: |
| Was meint der Herr damit? |
| |
| MEPHISTOPHELES (fuer sich): |
| Du guts, unschuldigs Kind! (Laut.) Lebt wohl, ihr Fraun! |
| |
| MARGARETE: |
| Lebt wohl! |
| |
| MARTHE: |
| O sagt mir doch geschwind! Ich moechte gern ein Zeugnis haben, |
| Wo, wie und wann mein Schatz gestorben und begraben. |
| Ich bin von je der Ordnung Freund gewesen, |
| Moecht, ihn auch tot im Wochenblaettchen lesen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ja, gute Frau, durch zweier Zeugen Mund |
| Wird allerwegs die Wahrheit kund; |
| Habe noch gar einen feinen Gesellen, |
| Den will ich Euch vor den Richter stellen. |
| Ich bring ihn her. |
| |
| MARTHE: |
| O tut das ja! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Und hier die Jungfrau ist auch da? |
| Ein braver Knab! ist viel gereist, |
| Fraeuleins alle Hoeflichkeit erweist. |
| |
| MARGARETE: |
| Muesse vor dem Herren schamrot werden. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Vor keinem Koenige der Erden. |
| |
| MARTHE: |
| Da hinterm Haus in meinem Garten |
| Wollen wir der Herren heut abend warten. |
| |
| |
| |
| Strass (II) |
| |
| Faust. Mephistopheles. |
| |
| |
| FAUST: |
| Wie ist's? Will's foerdern? Will's bald gehn? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ah bravo! Find ich Euch in Feuer? |
| In kurzer Zeit ist Gretchen Euer. |
| Heut abend sollt Ihr sie bei Nachbar' Marthen sehn: |
| Das ist ein Weib wie auserlesen |
| Zum Kuppler- und Zigeunerwesen! |
| |
| FAUST: |
| So recht! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Doch wird auch was von uns begehrt. |
| |
| FAUST: |
| Ein Dienst ist wohl des andern wert. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Wir legen nur ein gueltig Zeugnis nieder, |
| Dassihres Ehherrn ausgereckte Glieder |
| In Padua an heil'ger Staette ruhn. |
| |
| FAUST: |
| Sehr klug! Wir werden erst die Reise machen muessen! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Sancta Simplicitas! darum ist's nicht zu tun; |
| Bezeugt nur, ohne viel zu wissen. |
| |
| FAUST: |
| Wenn Er nichts Bessers hat, so ist der Plan zerrissen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| O heil'ger Mann! Da waert Ihr's nun! |
| Ist es das erstemal in eurem Leben, |
| DassIhr falsch Zeugnis abgelegt? |
| Habt Ihr von Gott, der Welt und was sich drin bewegt, |
| Vom Menschen, was sich ihm in den Kopf und Herzen regt, |
| Definitionen nicht mit grossr Kraft gegeben? |
| Mit frecher Stirne, kuehner Brust? |
| Und wollt Ihr recht ins Innre gehen, |
| Habt Ihr davon, Ihr muess es grad gestehen, |
| So viel als von Herrn Schwerdtleins Tod gewuss! |
| |
| FAUST: |
| Du bist und bleibst ein Luegner, ein Sophiste. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ja, wenn man's nicht ein bisshen tiefer wuesse. |
| Denn morgen wirst, in allen Ehren, |
| Das arme Gretchen nicht betoeren |
| Und alle Seelenlieb ihr schwoeren? |
| |
| FAUST: |
| Und zwar von Herzen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Gut und schoen! Dann wird von ewiger Treu und Liebe, |
| von einzig ueberallmaecht'gem Triebe- |
| Wird das auch so von Herzen gehn? |
| |
| FAUST: |
| Lassdas! Es wird!- Wenn ich empfinde, |
| Fuer das Gefuehl, fuer das Gewuehl |
| Nach Namen suche, keinen finde, |
| Dann durch die Welt mit allen Sinnen schweife, |
| Nach allen hoechsten Worten greife, |
| Und diese Glut, von der ich brenne, |
| Unendlich, ewig, ewig nenne, |
| Ist das ein teuflisch Luegenspiel? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich hab doch recht! |
| |
| FAUST: |
| Hoer! merk dir dies- Ich bitte dich, und schone meine Lunge-: |
| Wer recht behalten will und hat nur eine Zunge, |
| Behaelt's gewiss |
| Und komm, ich hab des Schwaetzens ueberdruss |
| Denn du hast recht, vorzueglich weil ich muss |
| |
| |
| |
| Garten |
| |
| Margarete an Faustens Arm, Marthe mit Mephistopheles auf und ab spazierend. |
| |
| |
| MARGARETE: |
| Ich fuehl es wohl, dassmich der Herr nur schont, |
| Herab sich laess, mich zu beschaemen. |
| Ein Reisender ist so gewohnt, |
| Aus Guetigkeit fuerliebzunehmen; |
| Ich weisszu gut, dasssolch erfahrnen Mann |
| Mein arm Gespraech nicht unterhalten kann. |
| |
| FAUST: |
| Ein Blick von dir, ein Wort mehr unterhaelt |
| Als alle Weisheit dieser Welt. |
| (Er kuess ihre Hand.) |
| |
| MARGARETE: |
| Inkommodiert Euch nicht! Wie koennt Ihr sie nur kuessen? |
| Sie ist so garstig, ist so rauh! |
| Was hab ich nicht schon alles schaffen muessen! |
| Die Mutter ist gar zu genau. |
| (Gehn vorueber.) |
| |
| MARTHE: |
| Und Ihr, mein Herr, Ihr reist so immer fort? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ach, dassGewerb und Pflicht uns dazu treiben! |
| Mit wieviel Schmerz verlaess man manchen Ort |
| Und darf doch nun einmal nicht bleiben! |
| |
| MARTHE: |
| In raschen Jahren geht's wohl an |
| So um und um frei durch die Welt zu streifen; |
| Doch koemmt die boese Zeit heran, |
| Und sich als Hagestolz allein zum Grab zu schleifen, |
| Das hat noch keinem wohlgetan. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Mit Grausen seh ich das von weiten. |
| |
| MARTHE: |
| Drum, werter Herr, beratet Euch in Zeiten. |
| (Gehn vorueber.) |
| |
| MARGARETE: |
| Ja, aus den Augen, aus dem Sinn! |
| Die Hoeflichkeit ist Euch gelaeufig; |
| Allein Ihr habt der Freunde haeufig, |
| Sie sind verstaendiger, als ich bin. |
| |
| FAUST: |
| O Beste! glaube, was man so verstaendig nennt, |
| Ist oft mehr Eitelkeit und Kurzsinn. |
| |
| MARGARETE: |
| Wie? |
| |
| FAUST: |
| Ach, dassdie Einfalt, dassdie Unschuld nie |
| Sich selbst und ihren heil'gen Wert erkennt! |
| DassDemut Niedrigkeit, die hoechsten Gaben |
| Der liebevoll austeilenden Natur- |
| |
| MARGARETE: |
| Denkt Ihr an mich ein Augenblickchen nur, |
| Ich werde Zeit genug an Euch zu denken haben. |
| |
| FAUST: |
| Ihr seid wohl viel allein? |
| |
| MARGARETE: |
| Ja, unsre Wirtschaft ist nur klein, |
| Und doch will sie versehen sein. |
| Wir haben keine Magd; musskochen, fegen, stricken |
| Und naehn und laufen frueh und spat; |
| Und meine Mutter ist in allen Stuecken |
| So akkurat! |
| Nicht dasssie just so sehr sich einzuschraenken hat; |
| Wir koennten uns weit eh'r als andre regen: |
| Mein Vater hinterliessein huebsch Vermoegen, |
| Ein Haeuschen und ein Gaertchen vor der Stadt. |
| Doch hab ich jetzt so ziemlich stille Tage: |
| Mein Bruder ist Soldat, |
| Mein Schwesterchen ist tot. |
| Ich hatte mit dem Kind wohl meine liebe Not; |
| Doch uebernaehm ich gern noch einmal alle Plage, |
| So lieb war mir das Kind. |
| |
| FAUST: |
| Ein Engel, wenn dir's glich. |
| |
| MARGARETE: |
| Ich zog es auf, und herzlich liebt es mich. |
| Es war nach meines Vaters Tod geboren. |
| Die Mutter gaben wir verloren, |
| So elend wie sie damals lag, |
| Und sie erholte sich sehr langsam, nach und nach. |
| Da konnte sie nun nicht dran denken, |
| Das arme Wuermchen selbst zu traenken, |
| Und so erzog ich's ganz allein, |
| Mit Milch und Wasser, so ward's mein |
| Auf meinem Arm, in meinem SchossWar's freundlich, zappelte, ward gross |
| |
| FAUST: |
| Du hast gewissdas reinste Glueck empfunden. |
| |
| MARGARETE: |
| Doch auch gewissgar manche schwere Stunden. |
| Des Kleinen Wiege stand zu Nacht |
| An meinem Bett; es durfte kaum sich regen, |
| War ich erwacht; |
| Bald muss ich's traenken, bald es zu mir legen |
| Bald, wenn's nicht schwieg, vom Bett aufstehn |
| Und taenzelnd in der Kammer auf und nieder gehn, |
| Und frueh am Tage schon am Waschtrog stehn; |
| Dann auf dem Markt und an dem Herde sorgen, |
| Und immer fort wie heut so morgen. |
| Da geht's, mein Herr, nicht immer mutig zu; |
| Doch schmeckt dafuer das Essen, schmeckt die Ruh. |
| (Gehn vorueber.) |
| |
| MARTHE: |
| Die armen Weiber sind doch uebel dran: |
| Ein Hagestolz ist schwerlich zu bekehren. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Es kaeme nur auf Euresgleichen an, |
| Mich eines Bessern zu belehren. |
| |
| MARTHE: |
| Sagt grad, mein Herr, habt Ihr noch nichts gefunden? |
| Hat sich das Herz nicht irgendwo gebunden? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Das Sprichwort sagt: Ein eigner Herd, |
| Ein braves Weib sind Gold und Perlen wert. |
| |
| MARTHE: |
| Ich meine: ob Ihr niemals Lust bekommen? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Man hat mich ueberall recht hoeflich aufgenommen. |
| |
| MARTHE: |
| Ich wollte sagen: ward's nie Ernst in Eurem Herzen? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Mit Frauen soll man sich nie unterstehn zu scherzen. |
| |
| MARTHE: |
| Ach, Ihr versteht mich nicht! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Das tut mir herzlich leid! Doch ich versteh- dassIhr sehr guetig seid. |
| (Gehn vorueber.) |
| |
| FAUST: |
| Du kanntest mich, o kleiner Engel, wieder, |
| Gleich als ich in den Garten kam? |
| |
| MARGARETE: |
| Saht Ihr es nicht, ich schlug die Augen nieder. |
| |
| FAUST: |
| Und du verzeihst die Freiheit, die ich nahm? |
| Was sich die Frechheit unterfangen, |
| Als du juengst aus dem Dom gegangen? |
| |
| MARGARETE: |
| Ich war bestuerzt, mir war das nie geschehn; |
| Es konnte niemand von mir uebels sagen. |
| Ach, dacht ich, hat er in deinem Betragen |
| Was Freches, Unanstaendiges gesehn? |
| Es schien ihn gleich nur anzuwandeln, |
| Mit dieser Dirne gradehin zu handeln. |
| Gesteh ich's doch! Ich wusse nicht, was sich |
| Zu Eurem Vorteil hier zu regen gleich begonnte; |
| Allein gewiss ich war recht boes auf mich, |
| Dassich auf Euch nicht boeser werden konnte. |
| |
| FAUST: |
| SuessLiebchen! |
| |
| MARGARETE: |
| Lass einmal! |
| (Sie pflueckt eine Sternblume und zupft die Blaetter ab, eins nach dem |
| andern.) |
| |
| FAUST: |
| Was soll das? Einen Strauss |
| |
| MARGARETE: |
| Nein, es soll nur ein Spiel. |
| |
| FAUST: |
| Wie? |
| |
| MARGARETE: |
| Geht! Ihr lacht mich aus. |
| (Sie rupft und murmelt.) |
| |
| FAUST: |
| Was murmelst du? |
| |
| MARGARETE (halblaut): |
| Er liebt mich- liebt mich nicht. |
| FAUST: |
| Du holdes Himmelsangesicht! |
| |
| MARGARETE (faehrt fort): |
| Liebt mich- nicht- liebt mich- nicht- |
| (Das letzte Blatt ausrupfend, mit holder Freude.) |
| Er liebt mich! |
| |
| FAUST: |
| Ja, mein Kind! Lass dieses Blumenwort Dir Goetterausspruch sein. Er liebt |
| dich! |
| Verstehst du, was das heiss? Er liebt dich! |
| (Er fass ihre beiden Haende.) |
| |
| MARGARETE: |
| Mich ueberlaeuft's! |
| |
| FAUST: |
| O schaudre nicht! Lassdiesen Blick, |
| Lassdiesen Haendedruck dir sagen |
| Was unaussprechlich ist: |
| Sich hinzugeben ganz und eine Wonne |
| Zu fuehlen, die ewig sein muss |
| Ewig!- Ihr Ende wuerde Verzweiflung sein |
| Nein, kein Ende! Kein Ende! |
| (Margarete drueckt ihm die Haende, macht sich los und laeuft weg. Er steht |
| einen Augenblick in Gedanken, dann folgt er ihr.) |
| |
| MARTHE (kommend): |
| Die Nacht bricht an. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ja, und wir wollen fort. |
| |
| MARTHE: |
| Ich baet Euch, laenger hier zu bleiben, |
| Allein es ist ein gar zu boeser Ort. |
| Es ist, als haette niemand nichts zu treiben |
| Und nichts zu schaffen, |
| Als auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu gaffen, |
| Und man kommt ins Gered, wie man sich immer stellt. |
| Und unser Paerchen? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ist den Gang dort aufgeflogen. Mutwill'ge Sommervoegel! |
| |
| MARTHE: |
| Er scheint ihr gewogen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Und sie ihm auch. Das ist der Lauf der Welt. |
| |
| |
| |
| Ein Gartenhaeuschen |
| |
| Margarete springt herein, steckt sich hinter die Tuer, haelt die Fingerspitze |
| an die Lippen und guckt durch die Ritze. |
| |
| |
| MARGARETE: |
| Er kommt! |
| |
| FAUST (kommt): |
| Ach, Schelm, so neckst du mich! Treff ich dich! |
| (Er kuess sie.) |
| |
| MARGARETE (ihn fassend und den Kusszurueckgebend): |
| Bester Mann! von Herzen lieb ich dich! |
| (Mephistopheles klopft an.) |
| |
| FAUST (stampfend): |
| Wer da? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Gut Freund! |
| |
| FAUST: |
| Ein Tier! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Es ist wohl Zeit zu scheiden. |
| |
| MARTHE (kommt): |
| Ja, es ist spaet, mein Herr. |
| |
| FAUST: |
| Darf ich Euch nicht geleiten? |
| |
| MARGARETE: |
| Die Mutter wuerde mich- Lebt wohl! |
| |
| FAUST: |
| Mussich denn gehn? Lebt wohl! |
| |
| MARTHE: |
| Ade! |
| |
| MARGARETE: |
| Auf baldig Wiedersehn! |
| (Faust und Mephistopheles ab.) |
| |
| MARGARETE: |
| Du lieber Gott! was so ein Mann |
| Nicht alles, alles denken kann! |
| Beschaemt nur steh ich vor ihm da |
| Und sag zu allen Sachen ja. |
| Bin doch ein arm unwissend Kind, |
| Begreife nicht, was er an mir findt. |
| (Ab.) |
| |
| |
| |
| Wald und Hoehle |
| |
| Faust allein. |
| |
| |
| Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles, |
| Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst |
| Dein Angesicht im Feuer zugewendet. |
| Gabst mir die herrliche Natur zum Koenigreich, |
| Kraft, sie zu fuehlen, zu geniessn. Nicht |
| Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur, |
| Vergoennest mir, in ihre tiefe Brust |
| Wie in den Busen eines Freunds zu schauen. |
| Du fuehrst die Reihe der Lebendigen |
| Vor mir vorbei und lehrst mich meine Brueder |
| Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen. |
| Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt, |
| Die Riesenfichte stuerzend Nachbaraeste |
| Und Nachbarstaemme quetschend niederstreift |
| Und ihrem Fall dumpf hohl der Huegel donnert, |
| Dann fuehrst du mich zur sichern Hoehle, zeigst |
| Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust |
| Geheime tiefe Wunder oeffnen sich. |
| Und steigt vor meinem Blick der reine Mond |
| Besaenftigend herueber, schweben mir |
| Von Felsenwaenden, aus dem feuchten Busch |
| Der Vorwelt silberne Gestalten auf |
| Und lindern der Betrachtung strenge Lust. |
| |
| O dassdem Menschen nichts Vollkommnes wird, |
| Empfind ich nun. Du gabst zu dieser Wonne, |
| Die mich den Goettern nah und naeher bringt, |
| Mir den Gefaehrten, den ich schon nicht mehr |
| Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech, |
| Mich vor mir selbst erniedrigt und zu Nichts, |
| Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt. |
| Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer |
| Nach jenem schoenen Bild geschaeftig an. |
| So tauml ich von Begierde zu Genuss |
| Und im Genussverschmacht ich nach Begierde. |
| (Mephistopheles tritt auf.) |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Habt Ihr nun bald das Leben gnug gefuehrt? |
| Wie kann's Euch in die Laenge freuen? |
| Es ist wohl gut, dassman's einmal probiert |
| Dann aber wieder zu was Neuen! |
| |
| FAUST: |
| Ich wollt, du haettest mehr zu tun, |
| Als mich am guten Tag zu plagen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Nun, nun! ich lassdich gerne ruhn, |
| Du darfst mir's nicht im Ernste sagen. |
| An dir Gesellen, unhold, barsch und toll, |
| Ist wahrlich wenig zu verlieren. |
| Den ganzen Tag hat man die Haende voll! |
| Was ihm gefaellt und was man lassen soll, |
| Kann man dem Herrn nie an der Nase spueren. |
| |
| FAUST: |
| Das ist so just der rechte Ton! |
| Er will noch Dank, dasser mich ennuyiert. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Wie haettst du, armer Erdensohn |
| Dein Leben ohne mich gefuehrt? |
| Vom Kribskrabs der Imagination |
| Hab ich dich doch auf Zeiten lang kuriert; |
| Und waer ich nicht, so waerst du schon |
| Von diesem Erdball abspaziert. |
| Was hast du da in Hoehlen, Felsenritzen |
| Dich wie ein Schuhu zu versitzen? |
| Was schlurfst aus dumpfem Moos und triefendem Gestein |
| Wie eine Kroete Nahrung ein? |
| Ein schoener, suessr Zeitvertreib! |
| Dir steckt der Doktor noch im Leib. |
| |
| FAUST: |
| Verstehst du, was fuer neue Lebenskraft |
| Mir dieser Wandel in der oede schafft? |
| Ja, wuerdest du es ahnen koennen, |
| Du waerest Teufel gnug, mein Glueck mir nicht zu goennen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ein ueberirdisches Vergnuegen. |
| In Nacht und Tau auf den Gebirgen liegen |
| Und Erd und Himmel wonniglich umfassen, |
| Zu einer Gottheit sich aufschwellen lassen, |
| Der Erde Mark mit Ahnungsdrang durchwuehlen, |
| Alle sechs Tagewerk im Busen fuehlen, |
| In stolzer Kraft ich weissnicht was geniessn, |
| Bald liebewonniglich in alles ueberfliessn, |
| Verschwunden ganz der Erdensohn, |
| Und dann die hohe Intuition- |
| (mit einer Gebaerde) |
| Ich darf nicht sagen, wie- zu schliessn. |
| |
| FAUST: |
| Pfui ueber dich! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Das will Euch nicht behagen; Ihr habt das Recht, gesittet pfui zu sagen. |
| Man darf das nicht vor keuschen Ohren nennen, |
| Was keusche Herzen nicht entbehren koennen. |
| Und kurz und gut, ich goenn Ihm das Vergnuegen, |
| Gelegentlich sich etwas vorzuluegen; |
| Doch lange haelt Er das nicht aus. |
| Du bist schon wieder abgetrieben |
| Und, waehrt es laenger, aufgerieben |
| In Tollheit oder Angst und Graus. |
| Genug damit! Dein Liebchen sitzt dadrinne, |
| Und alles wird ihr eng und trueb. |
| Du kommst ihr gar nicht aus dem Sinne, |
| Sie hat dich uebermaechtig lieb. |
| Erst kam deine Liebeswut uebergeflossen, |
| Wie vom geschmolznen Schnee ein Baechlein uebersteigt; |
| Du hast sie ihr ins Herz gegossen, |
| Nun ist dein Baechlein wieder seicht. |
| Mich duenkt, anstatt in Waeldern zu thronen, |
| Liess es dem grossn Herren gut, |
| Das arme affenjunge Blut |
| Fuer seine Liebe zu belohnen. |
| Die Zeit wird ihr erbaermlich lang; |
| Sie steht am Fenster, sieht die Wolken ziehn |
| ueber die alte Stadtmauer hin. |
| "Wenn ich ein Voeglein waer!" so geht ihr Gesang |
| Tage lang, halbe Naechte lang. |
| Einmal ist sie munter, meist betruebt, |
| Einmal recht ausgeweint, |
| Dann wieder ruhig, wie's scheint, |
| Und immer verliebt. |
| |
| FAUST: |
| Schlange! Schlange! |
| |
| MEPHISTOPHELES (fuer sich): |
| Gelt! dassich dich fange! |
| |
| FAUST: |
| Verruchter! hebe dich von hinnen, |
| Und nenne nicht das schoene Weib! |
| Bring die Begier zu ihrem suessn Leib |
| Nicht wieder vor die halb verrueckten Sinnen! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Was soll es denn? Sie meint, du seist entflohn, |
| Und halb und halb bist du es schon. |
| |
| FAUST: |
| Ich bin ihr nah, und waer ich noch so fern, |
| Ich kann sie nie vergessen, nie verlieren |
| Ja, ich beneide schon den Leib des Herrn, |
| Wenn ihre Lippen ihn indes beruehren. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Gar wohl, mein Freund! Ich hab Euch oft beneidet |
| Ums Zwillingspaar, das unter Rosen weidet. |
| |
| FAUST: |
| Entfliehe, Kuppler! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Schoen! Ihr schimpft, und ich musslachen. Der Gott, der Bub' und Maedchen |
| schuf, |
| Erkannte gleich den edelsten Beruf, |
| Auch selbst Gelegenheit zu machen. |
| Nur fort, es ist ein grossr Jammer! |
| Ihr sollt in Eures Liebchens Kammer, |
| Nicht etwa in den Tod. |
| |
| FAUST: |
| Was ist die Himmelsfreud in ihren Armen? |
| Lassmich an ihrer Brust erwarmen! |
| Fuehl ich nicht immer ihre Not? |
| Bin ich der Fluechtling nicht? der Unbehauste? |
| Der Unmensch ohne Zweck und Ruh, |
| Der wie ein Wassersturz von Fels zu Felsen brauste, |
| Begierig wuetend nach dem Abgrund zu? |
| Und seitwaerts sie, mit kindlich dumpfen Sinnen, |
| Im Huettchen auf dem kleinen Alpenfeld, |
| Und all ihr haeusliches Beginnen |
| Umfangen in der kleinen Welt. |
| Und ich, der Gottverhasse, |
| Hatte nicht genug, |
| Dassich die Felsen fasse |
| Und sie zu Truemmern schlug! |
| Sie, ihren Frieden muss ich untergraben! |
| Du, Hoelle, mussest dieses Opfer haben. |
| Hilf, Teufel, mir die Zeit der Angst verkuerzen. |
| Was mussgeschehn, mag's gleich geschehn! |
| Mag ihr Geschick auf mich zusammenstuerzen |
| Und sie mit mir zugrunde gehn! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Wie's wieder siedet, wieder glueht! |
| Geh ein und troeste sie, du Tor! |
| Wo so ein Koepfchen keinen Ausgang sieht, |
| Stellt er sich gleich das Ende vor. |
| Es lebe, wer sich tapfer haelt! |
| Du bist doch sonst so ziemlich eingeteufelt. |
| Nichts Abgeschmackters find ich auf der Welt |
| Als einen Teufel, der verzweifelt. |
| |
| |
| |
| Gretchens Stube. |
| |
| Gretchen (am Spinnrad, allein). |
| |
| |
| GRETCHEN: |
| Meine Ruh ist hin, |
| Mein Herz ist schwer; |
| Ich finde sie nimmer |
| und nimmermehr. |
| |
| Wo ich ihn nicht hab, |
| Ist mir das Grab, |
| Die ganze Welt |
| Ist mir vergaellt. |
| |
| Mein armer Kopf |
| Ist mir verrueckt, |
| Meiner armer Sinn |
| Ist mir zerstueckt. |
| |
| Meine Ruh ist hin, |
| Mein Herz ist schwer, |
| Ich finde sie nimmer |
| und nimmermehr. |
| |
| Nach ihm nur schau ich |
| Zum Fenster hinaus, |
| Nach ihm nur geh ich |
| Aus dem Haus. |
| |
| Sein hoher Gang, |
| Sein edle Gestalt, |
| Seines Mundes Laecheln, |
| Seiner Augen Gewalt, |
| |
| Und seiner Rede |
| Zauberfluss |
| Sein Haendedruck, |
| Und ach! sein Kuss |
| |
| Meine Ruh ist hin, |
| Mein Herz ist schwer, |
| Ich finde sie nimmer |
| und nimmermehr. |
| |
| Mein Busen draengt |
| Sich nach ihm hin, |
| Ach duerft ich fassen |
| Und halten ihn, |
| |
| Und kuessen ihn, |
| So wie ich wollt, |
| An seinen Kuessen |
| Vergehen sollt! |
| |
| |
| |
| Marthens Garten |
| |
| Margarete. Faust. |
| |
| |
| MARGARETE: |
| Versprich mir, Heinrich! |
| |
| FAUST: |
| Was ich kann! |
| |
| MARGARETE: |
| Nun sag, wie hast du's mit der Religion? |
| Du bist ein herzlich guter Mann, |
| Allein ich glaub, du haeltst nicht viel davon. |
| |
| FAUST: |
| Lassdas, mein Kind! Du fuehlst, ich bin dir gut; |
| Fuer meine Lieben liess ich Leib und Blut, |
| Will niemand sein Gefuehl und seine Kirche rauben. |
| |
| MARGARETE: |
| Das ist nicht recht, man mussdran glauben. |
| |
| FAUST: |
| Mussman? |
| |
| MARGARETE: |
| Ach! wenn ich etwas auf dich konnte! Du ehrst auch nicht die heil'gen |
| Sakramente. |
| |
| FAUST: |
| Ich ehre sie. |
| |
| MARGARETE: |
| Doch ohne Verlangen. Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangen. |
| Glaubst du an Gott? |
| |
| FAUST: |
| Mein Liebchen, wer darf sagen: Ich glaub an Gott? |
| Magst Priester oder Weise fragen, |
| Und ihre Antwort scheint nur Spott |
| ueber den Frager zu sein. |
| |
| MARGARETE: |
| So glaubst du nicht? |
| |
| FAUST: |
| Missoer mich nicht, du holdes Angesicht! |
| Wer darf ihn nennen? |
| Und wer bekennen: |
| "Ich glaub ihn!"? |
| Wer empfinden, |
| Und sich unterwinden |
| Zu sagen: "Ich glaub ihn nicht!"? |
| Der Allumfasser, |
| Der Allerhalter, |
| Fass und erhaelt er nicht |
| Dich, mich, sich selbst? |
| Woelbt sich der Himmel nicht da droben? |
| Liegt die Erde nicht hier unten fest? |
| Und steigen freundlich blickend |
| Ewige Sterne nicht herauf? |
| Schau ich nicht Aug in Auge dir, |
| Und draengt nicht alles |
| Nach Haupt und Herzen dir, |
| Und webt in ewigem Geheimnis |
| Unsichtbar sichtbar neben dir? |
| Erfuell davon dein Herz, so grosses ist, |
| Und wenn du ganz in dem Gefuehle selig bist, |
| Nenn es dann, wie du willst, |
| Nenn's Glueck! Herz! Liebe! Gott |
| Ich habe keinen Namen |
| Dafuer! Gefuehl ist alles; |
| Name ist Schall und Rauch, |
| Umnebelnd Himmelsglut. |
| |
| MARGARETE: |
| Das ist alles recht schoen und gut; |
| Ungefaehr sagt das der Pfarrer auch, |
| Nur mit ein bisshen andern Worten. |
| |
| FAUST: |
| Es sagen's allerorten |
| Alle Herzen unter dem himmlischen Tage, |
| Jedes in seiner Sprache; |
| Warum nicht ich in der meinen? |
| |
| MARGARETE: |
| Wenn man's so hoert, moecht's leidlich scheinen, |
| Steht aber doch immer schief darum; |
| Denn du hast kein Christentum. |
| |
| FAUST: |
| Liebs Kind! |
| |
| MARGARETE: |
| Es tut mir lange schon weh, Dassich dich in der Gesellschaft seh. |
| |
| FAUST: |
| Wieso? |
| |
| MARGARETE: |
| Der Mensch, den du da bei dir hast, Ist mir in tiefer innrer Seele verhass; |
| Es hat mir in meinem Leben |
| So nichts einen Stich ins Herz gegeben |
| Als des Menschen widrig Gesicht. |
| |
| FAUST: |
| Liebe Puppe, fuercht ihn nicht! |
| |
| MARGARETE: |
| Seine Gegenwart bewegt mir das Blut. |
| Ich bin sonst allen Menschen gut; |
| Aber wie ich mich sehne, dich zu schauen, |
| Hab ich vor dem Menschen ein heimlich Grauen, |
| Und halt ihn fuer einen Schelm dazu! |
| Gott verzeih mir's, wenn ich ihm unrecht tu! |
| |
| FAUST: |
| Es mussauch solche Kaeuze geben. |
| |
| MARGARETE: |
| Wollte nicht mit seinesgleichen leben! |
| Kommt er einmal zur Tuer herein, |
| Sieht er immer so spoettisch drein |
| Und halb ergrimmt; |
| Man sieht, dasser an nichts keinen Anteil nimmt; |
| Es steht ihm an der Stirn geschrieben, |
| Dasser nicht mag eine Seele lieben. |
| Mir wird's so wohl in deinem Arm, |
| So frei, so hingegeben warm, |
| Und seine Gegenwart schnuert mir das Innre zu. |
| |
| FAUST: |
| Du ahnungsvoller Engel du! |
| |
| MARGARETE: |
| Das uebermannt mich so sehr, |
| Dass wo er nur mag zu uns treten, |
| Mein ich sogar, ich liebte dich nicht mehr. |
| Auch, wenn er da ist, koennt ich nimmer beten, |
| Und das friss mir ins Herz hinein; |
| Dir, Heinrich, musses auch so sein. |
| |
| FAUST: |
| Du hast nun die Antipathie! |
| |
| MARGARETE: |
| Ich mussnun fort. |
| |
| FAUST: |
| Ach kann ich nie Ein Stuendchen ruhig dir am Busen haengen |
| Und Brust an Brust und Seel in Seele draengen? |
| |
| MARGARETE: |
| Ach wenn ich nur alleine schlief! |
| Ich liessdir gern heut nacht den Riegel offen; |
| Doch meine Mutter schlaeft nicht tief, |
| Und wuerden wir von ihr betroffen, |
| Ich waer gleich auf der Stelle tot! |
| |
| FAUST: |
| Du Engel, das hat keine Not. |
| Hier ist ein Flaeschchen! |
| Drei Tropfen nur In ihren Trank umhuellen |
| Mit tiefem Schlaf gefaellig die Natur. |
| |
| MARGARETE: |
| Was tu ich nicht um deinetwillen? |
| Es wird ihr hoffentlich nicht schaden! |
| |
| FAUST: |
| Wuerd ich sonst, Liebchen, dir es raten? |
| |
| MARGARETE: |
| Seh ich dich, bester Mann, nur an, |
| Weissnicht, was mich nach deinem Willen treibt, |
| Ich habe schon so viel fuer dich getan, |
| Dassmir zu tun fast nichts mehr uebrigbleibt. |
| (Ab.) |
| |
| (Mephistopheles tritt auf.) |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Der Grasaff! ist er weg? |
| |
| FAUST: |
| Hast wieder spioniert? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich hab's ausfuehrlich wohl vernommen, |
| Herr Doktor wurden da katechisiert; |
| Hoff, es soll Ihnen wohl bekommen. |
| Die Maedels sind doch sehr interessiert, |
| Ob einer fromm und schlicht nach altem Brauch. |
| Sie denken: duckt er da, folgt er uns eben auch. |
| |
| FAUST: |
| Du Ungeheuer siehst nicht ein, |
| Wie diese treue liebe Seele |
| Von ihrem Glauben voll, |
| Der ganz allein |
| Ihr seligmachend ist, sich heilig quaele, |
| Dasssie den liebsten Mann verloren halten soll. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Du uebersinnlicher sinnlicher Freier, |
| Ein Maegdelein nasfuehret dich. |
| |
| FAUST: |
| Du Spottgeburt von Dreck und Feuer! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Und die Physiognomie versteht sie meisterlich: |
| In meiner Gegenwart wird's ihr, sie weissnicht wie, |
| Mein Maeskchen da weissagt verborgnen Sinn; |
| Sie fuehlt, dassich ganz sicher ein Genie, |
| Vielleicht wohl gar der Teufel bin. |
| Nun, heute nacht-? |
| |
| FAUST: |
| Was geht dich's an? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Hab ich doch meine Freude dran! |
| |
| |
| |
| Am Brunnen |
| |
| Gretchen und Lieschen mit Kruegen. |
| |
| |
| LIESCHEN: |
| Hast nichts von Baerbelchen gehoert? |
| |
| GRETCHEN: |
| Kein Wort. Ich komm gar wenig unter Leute. |
| |
| LIESCHEN: |
| Gewiss Sibylle sagt' mir's heute: |
| Die hat sich endlich auch betoert. |
| Das ist das Vornehmtun! |
| |
| GRETCHEN: |
| Wieso? |
| |
| LIESCHEN: |
| Es stinkt! Sie fuettert zwei, wenn sie nun iss und trinkt. |
| |
| GRETCHEN: |
| Ach! |
| |
| LIESCHEN: |
| So ist's ihr endlich recht ergangen. |
| Wie lange hat sie an dem Kerl gehangen! |
| Das war ein Spazieren, |
| Auf Dorf und Tanzplatz Fuehren, |
| Muss ueberall die Erste sein, |
| Kurtesiert ihr immer mit Pastetchen und Wein; |
| Bildt sich was auf ihre Schoenheit ein, |
| War doch so ehrlos, sich nicht zu schaemen, |
| Geschenke von ihm anzunehmen. |
| War ein Gekos und ein Geschleck; |
| Da ist denn auch das Bluemchen weg! |
| |
| GRETCHEN: |
| Das arme Ding! |
| |
| LIESCHEN: |
| Bedauerst sie noch gar! Wenn unsereins am Spinnen war, |
| Uns nachts die Mutter nicht hinunterliess |
| Stand sie bei ihrem Buhlen suess |
| Auf der Tuerbank und im dunkeln Gang |
| Ward ihnen keine Stunde zu lang. |
| Da mag sie denn sich ducken nun, |
| Im Suenderhemdchen Kirchbusstun! |
| |
| GRETCHEN: |
| Er nimmt sie gewisszu seiner Frau. |
| |
| LIESCHEN: |
| Er waer ein Narr! Ein flinker Jung |
| Hat anderwaerts noch Luft genung. |
| Er ist auch fort. |
| |
| GRETCHEN: |
| Das ist nicht schoen! |
| |
| LIESCHEN: |
| Kriegt sie ihn, soll's ihr uebel gehn, |
| Das Kraenzel reissn die Buben ihr, |
| Und Haeckerling streuen wir vor die Tuer! |
| (Ab.) |
| |
| GRETCHEN: (nach Hause gehend): |
| Wie konnt ich sonst so tapfer schmaelen, |
| Wenn taet ein armes Maegdlein fehlen! |
| Wie konnt ich ueber andrer Suenden |
| Nicht Worte gnug der Zunge finden! |
| Wie schien mir's schwarz, und schwaerzt's noch gar, |
| Mir's immer doch nicht schwarz gnug war, |
| Und segnet mich und tat so gross |
| Und bin nun selbst der Suende bloss |
| Doch- alles, was dazu mich trieb, |
| Gott! war so gut! ach, war so lieb! |
| |
| |
| |
| Zwinger |
| |
| In der Mauerhoehle ein Andachtsbild der Mater dolorosa, Blumenkruge davor. |
| Gretchen steckt frische Blumen in die Kruge. |
| |
| |
| Ach neige, |
| Du Schmerzenreiche, |
| Dein Antlitz gnaedig meiner Not! |
| |
| Das Schwert im Herzen, |
| Mit tausend Schmerzen |
| Blickst auf zu deines Sohnes Tod. |
| |
| Zum Vater blickst du, |
| Und Seufzer schickst du |
| Hinauf um sein' und deine Not. |
| |
| Wer fuehlet, |
| Wie wuehlet |
| Der Schmerz mir im Gebein? |
| Was mein armes Herz hier banget, |
| Was es zittert, was verlanget, |
| Weiss nur du, nur du allein! |
| |
| Wohin ich immer gehe |
| Wie weh, wie weh, wie wehe |
| Wird mir im Busen hier! |
| Ich bin, ach! kaum alleine, |
| Ich wein, ich wein, ich weine, |
| Das Herz zerbricht in mir. |
| |
| Die Scherben vor meinem Fenster |
| Betaut ich mit Traenen, ach! |
| Als ich am fruehen Morgen |
| Dir diese Blumen brach. |
| |
| Schien hell in meine Kammer |
| Die Sonne frueh herauf, |
| Sassich in allem Jammer |
| In meinem Bett schon auf. |
| |
| Hilf! rette mich von Schmach und Tod! |
| Ach neige, |
| Du Schmerzenreiche, |
| Dein Antlitz gnaedig meiner Not! |
| |
| |
| |
| Nacht. Strass vor Gretchens Tuere |
| |
| Valentin, Soldat, Gretchens Bruder. |
| |
| |
| Wenn ich so sassbei einem Gelag, |
| Wo mancher sich beruehmen mag, |
| Und die Gesellen mir den Flor |
| Der Maegdlein laut gepriesen vor, |
| Mit vollem Glas das Lob verschwemmt, |
| Den Ellenbogen aufgestemmt, |
| Sassich in meiner sichern Ruh, |
| Hoert all dem Schwadronieren zu |
| Und streiche laechelnd meinen Bart |
| Und kriege das volle Glas zur Hand |
| Und sage: "Alles nach seiner Art! |
| Aber ist eine im ganzen Land, |
| Die meiner trauten Gretel gleicht, |
| Die meiner Schwester das Wasser reicht?" |
| Topp! Topp! Kling! Klang! das ging herum; |
| Die einen schrieen: "Er hat recht, |
| Sie ist die Zier vom ganzen Geschlecht." |
| Da sassn alle die Lober stumm. |
| Und nun!- um's Haar sich auszuraufen |
| Und an den Waenden hinaufzulaufen!- |
| Mit Stichelreden, Naseruempfen |
| Soll jeder Schurke mich beschimpfen! |
| Soll wie ein boeser Schuldner sitzen |
| Bei jedem Zufallswoertchen schwitzen! |
| Und moecht ich sie zusammenschmeissn |
| Koennt ich sie doch nicht Luegner heissn. |
| |
| Was kommt heran? Was schleicht herbei? |
| Irr ich nicht, es sind ihrer zwei. |
| Ist er's, gleich pack ich ihn beim Felle |
| Soll nicht lebendig von der Stelle! |
| |
| |
| Faust. Mephistopheles. |
| |
| FAUST: |
| Wie von dem Fenster dort der Sakristei |
| Aufwaerts der Schein des Ew'gen Laempchens flaemmert |
| Und schwach und schwaecher seitwaerts daemmert, |
| Und Finsternis draengt ringsum bei! |
| So sieht's in meinem Busen naechtig. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Und mir ist's wie dem Kaetzlein schmaechtig, |
| Das an den Feuerleitern schleicht, |
| Sich leis dann um die Mauern streicht; |
| Mir ist's ganz tugendlich dabei, |
| Ein bisshen Diebsgeluest, ein bisshen Rammelei. |
| So spukt mir schon durch alle Glieder |
| Die herrliche Walpurgisnacht. |
| Die kommt uns uebermorgen wieder, |
| Da weissman doch, warum man wacht. |
| |
| FAUST: |
| Rueckt wohl der Schatz indessen in die Hoeh, |
| Den ich dort hinten flimmern seh? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Du kannst die Freude bald erleben, |
| Das Kesselchen herauszuheben. |
| Ich schielte neulich so hinein, |
| Sind herrliche Loewentaler drein. |
| |
| FAUST: |
| Nicht ein Geschmeide, nicht ein Ring, |
| Meine liebe Buhle damit zu zieren? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich sah dabei wohl so ein Ding, |
| Als wie eine Art von Perlenschnueren. |
| |
| FAUST: |
| So ist es recht! Mir tut es weh, |
| Wenn ich ohne Geschenke zu ihr geh. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Es sollt Euch eben nicht verdriessn, |
| Umsonst auch etwas zu geniessn. |
| Jetzt, da der Himmel voller Sterne glueht, |
| Sollt Ihr ein wahres Kunststueck hoeren: |
| Ich sing ihr ein moralisch Lied, |
| Um sie gewisser zu betoeren. (Singt zur Zither.) Was machst du mir |
| Vor Liebchens Tuer, |
| Kathrinchen, hier |
| Bei fruehem Tagesblicke? |
| Lass lasses sein! |
| Er laess dich ein |
| Als Maedchen ein, |
| Als Maedchen nicht zuruecke. |
| |
| Nehmt euch in acht! |
| Ist es vollbracht, |
| Dann gute Nacht' |
| Ihr armen, armen Dinger! |
| Habt ihr euch lieb, |
| Tut keinem Dieb |
| Nur nichts zulieb |
| Als mit dem Ring am Finger. |
| |
| VALENTIN (tritt vor): |
| Wen lockst du hier? beim Element! |
| Vermaledeiter Rattenfaenger! |
| Zum Teufel erst das Instrument! |
| Zum Teufel hinterdrein den Saenger! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Die Zither ist entzwei! an der ist nichts zu halten. |
| |
| VALENTIN: |
| Nun soll es an ein Schaedelspalten! |
| |
| MEPHISTOPHELES (zu Faust): |
| Herr Doktor, nicht gewichen! Frisch! |
| Hart an mich an, wie ich Euch fuehre. |
| Heraus mit Eurem Flederwisch! |
| Nur zugestossn! ich pariere. |
| |
| VALENTIN: |
| Pariere den! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Warum denn nicht? |
| |
| VALENTIN: |
| Auch den! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Gewiss |
| |
| VALENTIN: |
| Ich glaub, der Teufel ficht! Was ist denn das? Schon wird die Hand mir |
| lahm. |
| |
| MEPHISTOPHELES (zu Faust): |
| Stosszu! |
| |
| VALENTIN (faellt): |
| O weh! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Nun ist der Luemmel zahm! Nun aber fort! Wir muessen gleich verschwinden |
| Denn schon entsteht ein moerderlich Geschrei. |
| Ich weissmich trefflich mit der Polizei, |
| Doch mit dem Blutbann schlecht mich abzufinden. |
| |
| MARTHE (am Fenster): |
| Heraus! Heraus! |
| |
| GRETCHEN (am Fenster): |
| Herbei ein Licht! |
| |
| MARTHE (wie oben): |
| Man schilt und rauft, man schreit und ficht. |
| |
| VOLK: |
| Da liegt schon einer tot! |
| |
| MARTHE (heraustretend): |
| Die Moerder, sind sie denn entflohn? |
| |
| GRETCHEN (heraustretend): |
| Wer liegt hier? |
| |
| VOLK: |
| Deiner Mutter Sohn. |
| |
| GRETCHEN: |
| Allmaechtiger! welche Not! |
| |
| VALENTIN: |
| Ich sterbe! das ist bald gesagt |
| Und balder noch getan. |
| Was steht ihr Weiber, heult und klagt? |
| Kommt her und hoert mich an! |
| (Alle treten um ihn.) |
| Mein Gretchen, sieh! du bist noch jung, |
| Bist gar noch nicht gescheit genung, |
| Machst deine Sachen schlecht. |
| Ich sag dir's im Vertrauen nur: |
| Du bist doch nun einmal eine Hur, |
| So sei's auch eben recht! |
| |
| GRETCHEN: |
| Mein Bruder! Gott! Was soll mir das? |
| |
| VALENTIN: |
| Lassunsern Herrgott aus dem Spass |
| Geschehn ist leider nun geschehn |
| Und wie es gehn kann, so wird's gehn. |
| Du fingst mit einem heimlich an |
| Bald kommen ihrer mehre dran, |
| Und wenn dich erst ein Dutzend hat, |
| So hat dich auch die ganze Stadt. |
| |
| Wenn erst die Schande wird geboren, |
| Wird sie heimlich zur Welt gebracht, |
| Und man zieht den Schleier der Nacht |
| Ihr ueber Kopf und Ohren; |
| Ja, man moechte sie gern ermorden. |
| Waechst sie aber und macht sich gross |
| Dann geht sie auch bei Tage blossUnd ist doch nicht schoener geworden. |
| Je haessicher wird ihr Gesicht, |
| Je mehr sucht sie des Tages Licht. |
| |
| Ich seh wahrhaftig schon die Zeit, |
| Dassalle brave Buergersleut, |
| Wie von einer angesteckten Leichen, |
| Von dir, du Metze! seitab weichen. |
| Dir soll das Herz im Leib verzagen, |
| Wenn sie dir in die Augen sehn! |
| Sollst keine goldne Kette mehr tragen! |
| In der Kirche nicht mehr am Altar stehn! |
| In einem schoenen Spitzenkragen |
| Dich nicht beim Tanze wohlbehagen! |
| In eine finstre Jammerecken |
| Unter Bettler und Krueppel dich verstecken, |
| Und, wenn dir dann auch Gott verzeiht, |
| Auf Erden sein vermaledeit! |
| |
| MARTHE: |
| Befehlt Eure Seele Gott zu Gnaden! |
| Wollt Ihr noch Laestrung auf Euch laden? |
| |
| VALENTIN: |
| Koennt ich dir nur an den duerren Leib, |
| Du schaendlich kupplerisches Weib! |
| Da hofft ich aller meiner Suenden |
| Vergebung reiche Masszu finden. |
| |
| GRETCHEN: |
| Mein Bruder! Welche Hoellenpein! |
| |
| VALENTIN: |
| Ich sage, lassdie Traenen sein! |
| Da du dich sprachst der Ehre los, |
| Gabst mir den schwersten Herzensstoss |
| Ich gehe durch den Todesschlaf |
| Zu Gott ein als Soldat und brav. |
| (Stirbt.) |
| |
| |
| |
| Dom |
| |
| Amt, Orgel und Gesang. Gretchen unter vielem Volke. Boeser Geist hinter |
| Gretchen. |
| |
| |
| BoeSER GEIST: |
| Wie anders, Gretchen, war dir's, |
| Als du noch voll Unschuld |
| Hier zum Altar tratst |
| Aus dem vergriffnen Buechelchen |
| Gebete lalltest, |
| Halb Kinderspiele, |
| Halb Gott im Herzen! |
| Gretchen! |
| Wo steht dein Kopf? |
| In deinem Herzen |
| Welche Missetat? |
| Betst du fuer deiner Mutter Seele, die |
| Durch dich zur langen, langen Pein hinueberschlief? |
| Auf deiner Schwelle wessen Blut? |
| - Und unter deinem Herzen |
| Regt sich's nicht quillend schon |
| Und aengstet dich und sich |
| Mit ahnungsvoller Gegenwart? |
| |
| GRETCHEN: |
| Weh! Weh! |
| Waer ich der Gedanken los, |
| Die mir herueber und hinueber gehen |
| Wider mich! |
| |
| CHOR: |
| Dies irae, dies illa |
| Solvet saeclum in favilla. |
| (Orgelton.) |
| |
| BoeSER GEIST: |
| Grimm fass dich! |
| Die Posaune toent! |
| Die Graeber beben! |
| Und dein Herz, |
| Aus Aschenruh |
| Zu Flammenqualen |
| Wieder aufgeschaffen, |
| Bebt auf! |
| |
| GRETCHEN: |
| Waer ich hier weg! |
| Mir ist, als ob die Orgel mir |
| Den Atem versetzte, |
| Gesang mein Herz |
| Im Tiefsten loeste. |
| |
| CHOR: |
| Judex ergo cum sedebit, |
| Quidquid latet adparebit, |
| Nil inultum remanebit. |
| |
| GRETCHEN: |
| Mir wird so eng! |
| Die Mauernpfeiler |
| Befangen mich! |
| Das Gewoelbe |
| Draengt mich!- Luft! |
| |
| BoeSER GEIST: |
| Verbirg dich! Suend und Schande |
| Bleibt nicht verborgen. |
| Luft? Licht? |
| Weh dir! |
| |
| CHOR: |
| Quid sum miser tunc dicturus? |
| Quem patronum rogaturus? |
| Cum vix justus sit securus. |
| |
| BoeSER GEIST: |
| Ihr Antlitz wenden |
| Verklaerte von dir ab. |
| Die Haende dir zu reichen, |
| Schauert's den Reinen. |
| Weh! |
| |
| CHOR: |
| Quid sum miser tunc dicturus? |
| GRETCHEN: |
| Nachbarin! Euer Flaeschchen! |
| (Sie faellt in Ohnmacht.) |
| |
| |
| |
| Walpurgisnacht |
| |
| Harzgebirg Gegend von Schierke und Elend |
| |
| Faust. Mephistopheles. |
| |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Verlangst du nicht nach einem Besenstiele? |
| Ich wuenschte mir den allerderbsten Bock. |
| Auf diesem Weg sind wir noch weit vom Ziele. |
| |
| FAUST: |
| Solang ich mich noch frisch auf meinen Beinen fuehle, |
| Genuegt mir dieser Knotenstock. |
| Was hilft's, dassman den Weg verkuerzt!- |
| Im Labyrinth der Taeler hinzuschleichen, |
| Dann diesen Felsen zu ersteigen, |
| Von dem der Quell sich ewig sprudelnd stuerzt, |
| Das ist die Lust, die solche Pfade wuerzt! |
| Der Fruehling webt schon in den Birken, |
| Und selbst die Fichte fuehlt ihn schon; |
| Sollt er nicht auch auf unsre Glieder wirken? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Fuerwahr, ich spuere nichts davon! |
| Mir ist es winterlich im Leibe, |
| Ich wuenschte Schnee und Frost auf meiner Bahn. |
| Wie traurig steigt die unvollkommne Scheibe |
| Des roten Monds mit spaeter Glut heran |
| Und leuchtet schlecht, dassman bei jedem Schritte |
| Vor einen Baum, vor einen Felsen rennt! |
| Erlaub, dassich ein Irrlicht bitte! |
| Dort seh ich eins, das eben lustig brennt. |
| Heda! mein Freund! darf ich dich zu uns fodern? |
| Was willst du so vergebens lodern? |
| Sei doch so gut und leucht uns da hinauf! |
| |
| IRRLICHT: |
| Aus Ehrfurcht, hoff ich, soll es mir gelingen, |
| Mein leichtes Naturell zu zwingen; |
| Nur zickzack geht gewoehnlich unser Lauf. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ei! Ei! Er denkt's den Menschen nachzuahmen. |
| Geh Er nur grad, in 's Teufels Namen! |
| Sonst blas ich ihm sein Flackerleben aus. |
| |
| IRRLICHT: |
| Ich merke wohl, Ihr seid der Herr vom Haus, |
| Und will mich gern nach Euch bequemen. |
| Allein bedenkt! der Berg ist heute zaubertoll |
| Und wenn ein Irrlicht Euch die Wege weisen soll |
| So muess Ihr's so genau nicht nehmen. |
| FAUST, MEPHISTOPHELES, IRRLICHT (im Wechselgesang): |
| In die Traum- und Zaubersphaere |
| Sind wir, scheint es, eingegangen. |
| Fuehr uns gut und mach dir Ehre |
| Dasswir vorwaerts bald gelangen |
| In den weiten, oeden Raeumen! |
| Seh die Baeume hinter Baeumen, |
| Wie sie schnell vorueberruecken, |
| Und die Klippen, die sich buecken, |
| Und die langen Felsennasen, |
| Wie sie schnarchen, wie sie blasen! |
| |
| Durch die Steine, durch den Rasen |
| Eilet Bach und Baechlein nieder. |
| Hoer ich Rauschen? hoer ich Lieder? |
| Hoer ich holde Liebesklage, |
| Stimmen jener Himmelstage? |
| Was wir hoffen, was wir lieben! |
| Und das Echo, wie die Sage |
| Alter Zeiten, hallet wider. |
| |
| "Uhu! Schuhu!" toent es naeher, |
| Kauz und Kiebitz und der Haeher, |
| Sind sie alle wach geblieben? |
| Sind das Molche durchs Gestraeuche? |
| Lange Beine, dicke Baeuche! |
| Und die Wurzeln, wie die Schlangen, |
| Winden sich aus Fels und Sande, |
| Strecken wunderliche Bande, |
| Uns zu schrecken, uns zu fangen; |
| Aus belebten derben Masern |
| Strecken sie Polypenfasern |
| Nach dem Wandrer. Und die Maeuse |
| Tausendfaerbig, scharenweise, |
| Durch das Moos und durch die Heide! |
| Und die Funkenwuermer fliegen |
| Mit gedraengten Schwaermezuegen |
| Zum verwirrenden Geleite. |
| |
| Aber sag mir, ob wir stehen |
| Oder ob wir weitergehen? |
| Alles, alles scheint zu drehen, |
| Fels und Baeume, die Gesichter |
| Schneiden, und die irren Lichter, |
| Die sich mehren, die sich blaehen. |
| MEPHISTOPHELES: |
| Fasse wacker meinen Zipfel! |
| Hier ist so ein Mittelgipfel |
| Wo man mit Erstaunen sieht, |
| Wie im Berg der Mammon glueht. |
| |
| FAUST: |
| Wie seltsam glimmert durch die Gruende |
| Ein morgenroetlich trueber Schein! |
| Und selbst bis in die tiefen Schluende |
| Des Abgrunds wittert er hinein. |
| Da steigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden, |
| Hier leuchtet Glut aus Dunst und Flor |
| Dann schleicht sie wie ein zarter Faden |
| Dann bricht sie wie ein Quell hervor. |
| Hier schlingt sie eine ganze Strecke |
| Mit hundert Adern sich durchs Tal, |
| Und hier in der gedraengten Ecke |
| Vereinzelt sie sich auf einmal. |
| Da spruehen Funken in der Naehe |
| Wie ausgestreuter goldner Sand. |
| Doch schau! in ihrer ganzen Hoehe |
| Entzuendet sich die Felsenwand. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Erleuchtet nicht zu diesem Feste |
| Herr Mammon praechtig den Palast? |
| Ein Glueck, dassdu's gesehen hast, |
| Ich spuere schon die ungestuemen Gaeste. |
| |
| FAUST: |
| Wie rast die Windsbraut durch die Luft! |
| Mit welchen Schlaegen trifft sie meinen Nacken! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Du muss des Felsens alte Rippen packen |
| Sonst stuerzt sie dich hinab in dieser Schluende Gruft. |
| Ein Nebel verdichtet die Nacht. |
| Hoere, wie's durch die Waelder kracht! |
| Aufgescheucht fliegen die Eulen. |
| Hoer, es splittern die Saeulen |
| Ewig gruener Palaeste. |
| Girren und Brechen der Aste! |
| Der Staemme maechtiges Droehnen! |
| Der Wurzeln Knarren und Gaehnen! |
| Im fuerchterlich verworrenen Falle |
| uebereinander krachen sie alle |
| Und durch die uebertruemmerten Kluefte |
| Zischen und heulen die Luefte. |
| Hoerst du Stimmen in der Hoehe? |
| In der Ferne, in der Naehe? |
| Ja, den ganzen Berg entlang |
| Stroemt ein wuetender Zaubergesang! |
| |
| HEXEN (im Chor): |
| Die Hexen zu dem Brocken ziehn, |
| Die Stoppel ist gelb, die Saat ist gruen. |
| Dort sammelt sich der gross Hauf, |
| Herr Urian sitzt oben auf. |
| So geht es ueber Stein und Stock, |
| Es farzt die Hexe, es stinkt der Bock. |
| |
| STIMME: |
| Die alte Baubo kommt allein, |
| Sie reitet auf einem Mutterschwein. |
| |
| CHOR: |
| So Ehre denn, wem Ehre gebuehrt! |
| Frau Baubo vor! und angefuehrt! |
| Ein tuechtig Schwein und Mutter drauf, |
| Da folgt der ganze Hexenhauf. |
| |
| STIMME: |
| Welchen Weg kommst du her? |
| |
| STIMME: |
| uebern Ilsenstein! Da guckt ich der Eule ins Nest hinein, |
| Die macht ein Paar Augen! |
| |
| STIMME: |
| O fahre zur Hoelle! Was reitst du so schnelle! |
| |
| STIMME: |
| Mich hat sie geschunden, |
| Da sieh nur die Wunden! |
| |
| HEXEN, CHOR: |
| Der Weg ist breit, der Weg ist lang, |
| Was ist das fuer ein toller Drang? |
| Die Gabel sticht, der Besen kratzt, |
| Das Kind erstickt, die Mutter platzt. |
| |
| HEXENMEISTER, HALBER CHOR: |
| Wir schleichen wie die Schneck im Haus, |
| Die Weiber alle sind voraus. |
| Denn, geht es zu des Boesen Haus, |
| Das Weib hat tausend Schritt voraus. |
| |
| ANDERE HaeLFTE: |
| Wir nehmen das nicht so genau, |
| Mit tausend Schritten macht's die Frau; |
| Doch wie sie sich auch eilen kann, |
| Mit einem Sprunge macht's der Mann. |
| |
| STIMME (oben): |
| Kommt mit, kommt mit, vom Felsensee! |
| |
| STIMMEN (von unten): |
| Wir moechten gerne mit in die Hoeh. |
| Wir waschen, und blank sind wir ganz und gar; |
| Aber auch ewig unfruchtbar. |
| |
| BEIDE CHoeRE: |
| Es schweigt der Wind, es flieht der Stern, |
| Der truebe Mond verbirgt sich gern. |
| Im Sausen sprueht das Zauberchor |
| Viel tausend Feuerfunken hervor. |
| |
| STIMME (von unten): |
| Halte! Haltet |
| |
| STIMME (oben): |
| Wer ruft da aus der Felsenspalte? |
| |
| STIMME (von unten): |
| Nehmt mich mit! Nehmt mich mit! |
| Ich steige schon dreihundert Jahr, |
| Und kann den Gipfel nicht erreichen |
| Ich waere gern bei meinesgleichen. |
| |
| BEIDE CHoeRE: |
| Es traegt der Besen, traegt der Stock |
| Die Gabel traegt, es traegt der Bock |
| Wer heute sich nicht heben kann |
| Ist ewig ein verlorner Mann. |
| |
| HALBHEXE (unten): |
| Ich tripple nach, so lange Zeit; |
| Wie sind die andern schon so weit! |
| Ich hab zu Hause keine Ruh |
| Und komme hier doch nicht dazu. |
| |
| CHOR DER HEXEN: |
| Die Salbe gibt den Hexen Mut, |
| Ein Lumpen ist zum Segel gut |
| Ein gutes Schiff ist jeder Trog |
| Der flieget nie, der heut nicht flog. |
| |
| BEIDE CHoeRE: |
| Und wenn wir um den Gipfel ziehn, |
| So streichet an dem Boden hin |
| Und deckt die Heide weit und breit |
| Mit eurem Schwarm der Hexenheit |
| (Sie lassen sich nieder.) |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Das draengt und stoess, das ruscht und klappert! |
| Das zischt und quirlt, das zieht und plappert! |
| Das leuchtet, sprueht und stinkt und brennt! |
| Ein wahres Hexenelement! |
| Nur fest an mir! sonst sind wir gleich getrennt. |
| Wo bist du? |
| |
| FAUST (in der Ferne): |
| Hier! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Was! dort schon hingerissen? Da werd ich Hausrecht brauchen muessen. |
| Platz! Junker Voland kommt. Platz! suessr Poebel, Platz! |
| Hier, Doktor, fasse mich! und nun in einem Satz |
| Lassuns aus dem Gedraeng entweichen; |
| Es ist zu toll, sogar fuer meinesgleichen. |
| Dortneben leuchtet was mit ganz besondrem Schein, |
| Es zieht mich was nach jenen Straeuchen. |
| Komm, komm! wir schlupfen da hinein. |
| |
| FAUST: |
| Du Geist des Widerspruchs! Nur zu! du magst mich fuehren. |
| Ich denke doch, das war recht klug gemacht: |
| Zum Brocken wandeln wir in der Walpurgisnacht, |
| Um uns beliebig nun hieselbst zu isolieren. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Da sieh nur, welche bunten Flammen! |
| Es ist ein muntrer Klub beisammen. |
| Im Kleinen ist man nicht allein. |
| |
| FAUST: |
| Doch droben moecht ich lieber sein! |
| Schon seh ich Glut und Wirbelrauch. |
| Dort stroemt die Menge zu dem Boesen; |
| Da musssich manches Raetsel loesen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Doch manches Raetsel knuepft sich auch. |
| Lassdu die gross Welt nur sausen, |
| Wir wollen hier im stillen hausen. |
| Es ist doch lange hergebracht, |
| Dassin der grossn Welt man kleine Welten macht. |
| Da seh ich junge Hexchen, nackt und bloss |
| Und alte, die sich klug verhuellen. |
| Seid freundlich, nur um meinetwillen; |
| Die Mueh ist klein, der Spassist gross |
| Ich hoere was von Instrumenten toenen! |
| Verflucht Geschnarr! Man musssich dran gewohnen. |
| Komm mit! Komm mit! Es kann nicht anders sein, |
| Ich tret heran und fuehre dich herein, |
| Und ich verbinde dich aufs neue. |
| Was sagst du, Freund? das ist kein kleiner Raum. |
| Da sieh nur hin! du siehst das Ende kaum. |
| Ein Hundert Feuer brennen in der Reihe |
| Man tanzt, man schwatzt, man kocht, man trinkt, man liebt |
| Nun sage mir, wo es was Bessers gibt? |
| |
| FAUST: |
| Willst du dich nun, um uns hier einzufuehren, |
| Als Zaubrer oder Teufel produzieren? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Zwar bin ich sehr gewohnt, inkognito zu gehn, |
| Doch laess am Galatag man seinen Orden sehn. |
| Ein Knieband zeichnet mich nicht aus, |
| Doch ist der Pferdefusshier ehrenvoll zu Haus. |
| Siehst du die Schnecke da? sie kommt herangekrochen; |
| Mit ihrem tastenden Gesicht |
| Hat sie mir schon was abgerochen. |
| Wenn ich auch will, verleugn ich hier mich nicht. |
| Komm nur! von Feuer gehen wir zu Feuer, |
| Ich bin der Werber, und du bist der Freier. |
| (Zu einigen, die um verglimmende Kohlen sitzen:) |
| Ihr alten Herrn, was macht ihr hier am Ende? |
| Ich lobt euch, wenn ich euch huebsch in der Mitte faende, |
| Von Saus umzirkt und Jugendbraus; |
| Genug allein ist jeder ja zu Haus. |
| |
| GENERAL: |
| Wer mag auf Nationen trauen! |
| Man habe noch so viel fuer sie getan; |
| Denn bei dem Volk wie bei den Frauen |
| Steht immerfort die Jugend oben an. |
| |
| MINISTER: |
| Jetzt ist man von dem Rechten allzu weit, |
| Ich lobe mir die guten Alten; |
| Denn freilich, da wir alles galten, |
| Da war die rechte goldne Zeit. |
| |
| PARVENue: |
| Wir waren wahrlich auch nicht dumm |
| Und taten oft, was wir nicht sollten; |
| Doch jetzo kehrt sich alles um und um, |
| Und eben da wir's fest erhalten wollten. |
| |
| AUTOR: |
| Wer mag wohl ueberhaupt jetzt eine Schrift |
| Von maessg klugem Inhalt lesen! |
| Und was das liebe junge Volk betrifft, |
| Das ist noch nie so naseweis gewesen. |
| |
| MEPHISTOPHELES (der auf einmal sehr alt erscheint): |
| Zum Juengsten Tag fuehl ich das Volk gereift, |
| Da ich zum letztenmal den Hexenberg ersteige, |
| Und weil mein Faesshen truebe laeuft, |
| So ist die Welt auch auf der Neige. |
| |
| TRoeDELHEXE: |
| Ihr Herren, geht nicht so vorbei! |
| Lass die Gelegenheit nicht fahren! |
| Aufmerksam blickt nach meinen Waren, |
| Es steht dahier gar mancherlei. |
| Und doch ist nichts in meinem Laden, |
| Dem keiner auf der Erde gleicht, |
| Das nicht einmal zum tuecht'gen Schaden |
| Der Menschen und der Welt gereicht. |
| Kein Dolch ist hier, von dem nicht Blut geflossen, |
| Kein Kelch, aus dem sich nicht in ganz gesunden Leib |
| Verzehrend heisss Gift ergossen, |
| Kein Schmuck, der nicht ein liebenswuerdig Weib |
| Verfuehrt, kein Schwert, das nicht den Bund gebrochen, |
| Nicht etwa hinterruecks den Gegenmann durchstochen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Frau Muhme! Sie versteht mir schlecht die Zeiten. |
| Getan, geschehn! Geschehn, getan! |
| Verleg Sie sich auf Neuigkeiten! |
| Nur Neuigkeiten ziehn uns an. |
| |
| FAUST: |
| Dassich mich nur nicht selbst vergesse! |
| Heissich mir das doch eine Messe! |
| MEPHISTOPHELES: |
| Der ganze Strudel strebt nach oben; |
| Du glaubst zu schieben, und du wirst geschoben. |
| |
| FAUST: |
| Wer ist denn das? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Betrachte sie genau! Lilith ist das. |
| |
| FAUST: |
| Wer? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Adams erste Frau. Nimm dich in acht vor ihren schoenen Haaren, |
| Vor diesem Schmuck, mit dem sie einzig prangt. |
| Wenn sie damit den jungen Mann erlangt, |
| So laess sie ihn so bald nicht wieder fahren. |
| |
| FAUST: |
| Da sitzen zwei, die Alte mit der Jungen; |
| Die haben schon was Rechts gesprungen! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Das hat nun heute keine Ruh. |
| Es geht zum neuen Tanz, nun komm! wir greifen zu. |
| |
| FAUST (mit der Jungen tanzend): |
| Einst hatt ich einen schoenen Traum |
| Da sah ich einen Apfelbaum, |
| Zwei schoene aepfel glaenzten dran, |
| Sie reizten mich, ich stieg hinan. |
| |
| DIE SCHoeNE: |
| Der aepfelchen begehrt ihr sehr, |
| Und schon vom Paradiese her. |
| Von Freuden fuehl ich mich bewegt, |
| Dassauch mein Garten solche traegt. |
| |
| MEPHISTOPHELES (mit der Alten): |
| Einst hatt ich einen wuesten Traum |
| Da sah ich einen gespaltnen Baum, |
| Der hatt ein ungeheures Loch; |
| So grosses war, gefiel mir's doch. |
| |
| DIE ALTE: |
| Ich biete meinen besten GrussDem Ritter mit dem Pferdefuss |
| Halt Er einen rechten Pfropf bereit, |
| Wenn Er das gross Loch nicht scheut. |
| |
| PROKTOPHANTASMIST: |
| Verfluchtes Volk! was untersteht ihr euch? |
| Hat man euch lange nicht bewiesen: |
| Ein Geist steht nie auf ordentlichen Fuessn? |
| Nun tanzt ihr gar, uns andern Menschen gleich! |
| |
| DIE SCHoeNE (tanzend): |
| Was will denn der auf unserm Ball? |
| |
| FAUST (tanzend): |
| Ei! der ist eben ueberall. |
| Was andre tanzen, musser schaetzen. |
| Kann er nicht jeden Schritt beschwaetzen, |
| So ist der Schritt so gut als nicht geschehn. |
| Am meisten aergert ihn, sobald wir vorwaerts gehn. |
| Wenn ihr euch so im Kreise drehen wolltet, |
| Wie er's in seiner alten Muehle tut |
| Das hiess er allenfalls noch gut |
| Besonders wenn ihr ihn darum begruessn solltet. |
| |
| PROKTOPHANTASMIST: |
| Ihr seid noch immer da! nein, das ist unerhoert. |
| Verschwindet doch! Wir haben ja aufgeklaert! |
| Das Teufelspack, es fragt nach keiner Regel |
| Wir sind so klug, und dennoch spukt's in Tegel. |
| Wie lange hab ich nicht am Wahn hinausgekehrt, |
| Und nie wird's rein; das ist doch unerhoert! |
| |
| DIE SCHoeNE: |
| So hoert doch auf, uns hier zu ennuyieren! |
| |
| PROKTOPHANTASMIST: |
| Ich sag's euch Geistern ins Gesicht: |
| Den Geistesdespotismus leid ich nicht; |
| Mein Geist kann ihn nicht exerzieren. |
| (Es wird fortgetanzt.) |
| Heut, seh ich, will mir nichts gelingen; |
| Doch eine Reise nehm ich immer mit |
| Und hoffe noch vor meinem letzten Schritt |
| Die Teufel und die Dichter zu bezwingen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Er wird sich gleich in eine Pfuetze setzen, |
| Das ist die Art, wie er sich soulagiert, |
| Und wenn Blutegel sich an seinem Steissergetzen, |
| Ist er von Geistern und von Geist kuriert. |
| (Zu Faust, der aus dem Tanz getreten ist.) |
| Was laessest du das schoene Maedchen fahren, |
| Das dir zum Tanz so lieblich sang? |
| |
| FAUST: |
| Ach! mitten im Gesange sprang |
| Ein rotes Maeuschen ihr aus dem Munde. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Das ist was Rechts! das nimmt man nicht genau; |
| Genug, die Maus war doch nicht grau. |
| Wer fragt darnach in einer Schaeferstunde? |
| |
| FAUST: |
| Dann sah ich- |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Was? |
| |
| FAUST: |
| Mephisto, siehst du dort Ein blasses, schoenes Kind allein und ferne stehen? |
| Sie schiebt sich langsam nur vom Ort, |
| Sie scheint mit geschlossen Fuessn zu gehen. |
| Ich mussbekennen, dassmir deucht, |
| Dasssie dem guten Gretchen gleicht. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Lassdas nur stehn! dabei wird's niemand wohl. |
| Es ist ein Zauberbild, ist leblos, ein Idol. |
| Ihm zu begegnen, ist nicht gut: |
| Vom starren Blick erstarrt des Menschen Blut, |
| Und er wird fast in Stein verkehrt; |
| Von der Meduse hast du ja gehoert. |
| |
| FAUST: |
| Fuerwahr, es sind die Augen einer Toten, |
| Die eine liebende Hand nicht schloss |
| Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten, |
| Das ist der suess Leib, den ich genoss |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Das ist die Zauberei, du leicht verfuehrter Tor! |
| Denn jedem kommt sie wie sein Liebchen vor. |
| |
| FAUST: |
| Welch eine Wonne! welch ein Leiden! |
| Ich kann von diesem Blick nicht scheiden. |
| Wie sonderbar mussdiesen schoenen Hals |
| Ein einzig rotes Schnuerchen schmuecken, |
| Nicht breiter als ein Messerruecken! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ganz recht! ich seh es ebenfalls. |
| Sie kann das Haupt auch unterm Arme tragen, |
| Denn Perseus hat's ihr abgeschlagen. |
| Nur immer diese Lust zum Wahn! |
| Komm doch das Huegelchen heran, |
| Hier ist's so lustig wie im Prater |
| Und hat man mir's nicht angetan, |
| So seh ich wahrlich ein Theater. |
| Was gibt's denn da? |
| |
| SERVIBILIS: |
| Gleich faengt man wieder an. Ein neues Stueck, das letzte Stueck von sieben. |
| So viel zu geben ist allhier der Brauch, |
| Ein Dilettant hat es geschrieben |
| Und Dilettanten spielen's auch. |
| Verzeiht, ihr Herrn, wenn ich verschwinde |
| Mich dilettiert's, den Vorhang aufzuziehn. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Wenn ich euch auf dem Blocksberg finde, |
| Das find ich gut; denn da gehoert ihr hin. |
| |
| |
| |
| Walpurgisnachtstraum |
| |
| oder Oberons und Titanias goldne Hochzeit Intermezzo |
| |
| |
| THEATERMEISTER: |
| Heute ruhen wir einmal, |
| Miedings wackre Soehne. |
| Alter Berg und feuchtes Tal, |
| Das ist die ganze Szene! |
| |
| HEROLD: |
| Dassdie Hochzeit golden sei, |
| Solln funfzig Jahr sein vorueber; |
| Aber ist der Streit vorbei, |
| Das golden ist mir lieber. |
| |
| OBERON: |
| Seid ihr Geister, wo ich bin, |
| So zeigt's in diesen Stunden; |
| Koenig und die Koenigin, |
| Sie sind aufs neu verbunden. |
| |
| PUCK: |
| Kommt der Puck und dreht sich quer |
| Und schleift den Fussim Reihen; |
| Hundert kommen hinterher, |
| Sich auch mit ihm zu freuen. |
| |
| ARIEL: |
| Ariel bewegt den Sang |
| In himmlisch reinen Toenen; |
| Viele Fratzen lockt sein Klang, |
| Doch lockt er auch die Schoenen. |
| |
| OBERON: |
| Gatten, die sich vertragen wollen, |
| Lernen's von uns beiden! |
| Wenn sich zweie lieben sollen, |
| Braucht man sie nur zu scheiden. |
| |
| TITANIA: |
| Schmollt der Mann und grillt die Frau, |
| So fass sie nur behende, |
| Fuehrt mir nach dem Mittag sie, |
| Und ihn an Nordens Ende. |
| |
| ORCHESTER TUTTI (Fortissimo): |
| Fliegenschnauz und Mueckennas |
| Mit ihren Anverwandten, |
| Frosch im Laub und Grill im Gras, |
| Das sind die Musikanten! |
| |
| SOLO: |
| Seht, da kommt der Dudelsack! |
| Es ist die Seifenblase. |
| Hoert den Schneckeschnickeschnack |
| Durch seine stumpfe Nase |
| |
| GEIST, DER SICH ERST BILDET: |
| Spinnenfussund Kroetenbauch |
| Und Fluegelchen dem Wichtchen! |
| Zwar ein Tierchen gibt es nicht, |
| Doch gibt es ein Gedichtchen. |
| |
| EIN PaeRCHEN: |
| Kleiner Schritt und hoher Sprung |
| Durch Honigtau und Duefte |
| Zwar du trippelst mir genung, |
| Doch geh's nicht in die Luefte. |
| |
| NEUGIERIGER REISENDER: |
| Ist das nicht Maskeradenspott? |
| Soll ich den Augen trauen, |
| Oberon, den schoenen Gott, |
| Auch heute hier zu schauen? |
| |
| ORTHODOX: |
| Keine Klauen, keinen Schwanz! |
| Doch bleibt es aussr Zweifel: |
| So wie die Goetter Griechenlands, |
| So ist auch er ein Teufel. |
| |
| NORDISCHER KueNSTLER: |
| Was ich ergreife, das ist heut |
| Fuerwahr nur skizzenweise; |
| Doch ich bereite mich beizeit |
| Zur italien'schen Reise. |
| |
| PURIST: |
| Ach! mein Unglueck fuehrt mich her: |
| Wie wird nicht hier geludert! |
| Und von dem ganzen Hexenheer |
| Sind zweie nur gepudert. |
| |
| JUNGE HEXE |
| Der Puder ist so wie der Rock |
| Fuer alt' und graue Weibchen, |
| Drum sitz ich nackt auf meinem Bock |
| Und zeig ein derbes Leibchen. |
| |
| MATRONE: |
| Wir haben zu viel Lebensart |
| Um hier mit euch zu maulen! |
| Doch hoff ich, sollt ihr jung und zart |
| So wie ihr seid, verfaulen. |
| |
| KAPELLMEISTER: |
| Fliegenschnauz und Mueckennas |
| Umschwaermt mir nicht die Nackte! |
| Frosch im Laub und Grill im Gras, |
| So bleibt doch auch im Takte! |
| |
| WINDFAHNE (nach der einen Seite): |
| Gesellschaft, wie man wuenschen kann: |
| Wahrhaftig lauter Braeute! |
| Und Junggesellen, Mann fuer Mann, |
| Die hoffnungsvollsten Leute! |
| |
| WINDFAHNE (nach der andern Seite): |
| Und tut sich nicht der Boden auf, |
| Sie alle zu verschlingen, |
| So will ich mit behendem Lauf |
| Gleich in die Hoelle springen. |
| |
| XENIEN: |
| Als Insekten sind wir da, |
| Mit kleinen scharfen Scheren, |
| Satan, unsern Herrn Papa, |
| Nach Wuerden zu verehren. |
| |
| HENNINGS: |
| Seht, wie sie in gedraengter Schar |
| Naiv zusammen scherzen! |
| Am Ende sagen sie noch gar, |
| Sie haetten gute Herzen. |
| |
| MUSAGET: |
| Ich mag in diesem Hexenheer |
| Mich gar zu gern verlieren; |
| Denn freilich diese wuess ich eh'r |
| Als Musen anzufuehren. |
| |
| CI-DEVANT GENIUS DER ZEIT: |
| Mit rechten Leuten wird man was. |
| Komm, fasse meinen Zipfel! |
| Der Blocksberg, wie der deutsche Parnass |
| Hat gar einen breiten Gipfel. |
| |
| NEUGIERIGER REISENDER: |
| Sagt, wie heiss der steife Mann? |
| Er geht mit stolzen Schritten. |
| Er schnopert, was er schnopern kann. |
| "Er spuert nach Jesuiten." |
| |
| KRANICH: |
| In dem klaren mag ich gern |
| Und auch im trueben fischen; |
| Darum seht ihr den frommen Herrn |
| Sich auch mit Teufeln mischen. |
| |
| WELTKIND: |
| Ja, fuer die Frommen, glaubet mir, |
| Ist alles ein Vehikel, |
| Sie bilden auf dem Blocksberg hier |
| Gar manches Konventikel. |
| |
| TaeNZER: |
| Da kommt ja wohl ein neues Chor? |
| Ich hoere ferne Trommeln. |
| "Nur ungestoert! es sind im Rohr |
| Die unisonen Dommeln." |
| |
| TANZMEISTER: |
| Wie jeder doch die Beine lupft! |
| Sich, wie er kann, herauszieht! |
| Der Krumme springt, der Plumpe hupft |
| Und fragt nicht, wie es aussieht. |
| |
| FIEDLER: |
| Das hass sich schwer, das Lumpenpack, |
| Und gaeb sich gern das Restchen; |
| Es eint sie hier der Dudelsack, |
| Wie Orpheus' Leier die Bestjen. |
| |
| DOGMATIKER: |
| Ich lasse mich nicht irre schrein, |
| Nicht durch Kritik noch Zweifel. |
| Der Teufel mussdoch etwas sein; |
| Wie gaeb's denn sonst auch Teufel? |
| |
| IDEALIST: |
| Die Phantasie in meinem Sinn |
| Ist diesmal gar zu herrisch. |
| Fuerwahr, wenn ich das alles bin, |
| So bin ich heute naerrisch. |
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| REALIST: |
| Das Wesen ist mir recht zur Qual |
| Und mussmich bassverdriessn; |
| Ich stehe hier zum erstenmal |
| Nicht fest auf meinen Fuessn. |
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| SUPERNATURALIST: |
| Mit viel Vergnuegen bin ich da |
| Und freue mich mit diesen; |
| Denn von den Teufeln kann ich ja |
| Auf gute Geister schliessn. |
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| SKEPTIKER: |
| Sie gehn den Flaemmchen auf der Spur |
| Und glaubn sich nah dem Schatze. |
| Auf Teufel reimt der Zweifel nur; |
| Da bin ich recht am Platze. |
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| KAPELLMEISTER: |
| Frosch im Laub und Grill im Gras, |
| Verfluchte Dilettanten! |
| Fliegenschnauz und Mueckennas, |
| Ihr seid doch Musikanten! |
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| DIE GEWANDTEN: |
| Sanssouci, so heiss das Heer |
| Von lustigen Geschoepfen; |
| Auf den Fuessn geht's nicht mehr, |
| Drum gehn wir auf den Koepfen. |
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| DIE UNBEHILFLICHEN: |
| Sonst haben wir manchen Bissen erschranzt, |
| Nun aber Gott befohlen! |
| Unsere Schuhe sind durchgetanzt, |
| Wir laufen auf nackten Sohlen. |
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| IRRLICHTER: |
| Von dem Sumpfe kommen wir, |
| Woraus wir erst entstanden; |
| Doch sind wir gleich im Reihen hier |
| Die glaenzenden Galanten. |
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| STERNSCHNUPPE: |
| Aus der Hoehe schossich her |
| Im Stern- und Feuerscheine, |
| Liege nun im Grase quer- |
| Wer hilft mir auf die Beine? |
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| DIE MAssIVEN: |
| Platz und Platz! und ringsherum! |
| So gehn die Graeschen nieder. |
| Geister kommen, Geister auch, |
| Sie haben plumpe Glieder. |
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| PUCK: |
| Tretet nicht so mastig auf |
| Wie Elefantenkaelber, |
| Und der plumpst' an diesem Tag |
| Sei Puck, der derbe, selber. |
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| ARIEL: |
| Gab die liebende Natur, |
| Gab der Geist euch Fluegel, |
| Folget meiner leichten Spur, |
| Auf zum Rosenhuegel! |
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| ORCHESTER (Pianissimo): |
| Wolkenzug und Nebelflor |
| Erhellen sich von oben. |
| Luft im Laub und Wind im Rohr, |
| Und alles ist zerstoben. |
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| Trueber Tag. Feld |
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| Faust. Mephistopheles. |
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| FAUST: |
| Im Elend! Verzweifelnd! Erbaermlich auf der Erde lange verirrt und nun |
| gefangen! Als Missetaeterin Im Kerker zu entsetzlichen Qualen eingesperrt, |
| das holde unselige Geschoepf! Bis dahin! dahin!- Verraeterischer, |
| nichtswuerdiger Geist, und das hast du mir verheimlicht!- Steh nur, steh! |
| waelze die teuflischen Augen ingrimmend im Kopf herum! Steh und trutze mir |
| durch deine unertraegliche Gegenwart! Gefangen! Im unwiederbringlichen |
| Elend! Boesen Geistern uebergeben und der richtenden gefuehllosen Menschheit! |
| Und mich wiegst du indes in abgeschmackten Zerstreuungen, verbirgst mir |
| ihren wachsenden Jammer und laessest sie hilflos verderben! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Sie ist die erste nicht. |
| |
| FAUST: |
| Hund! abscheuliches Untier!- Wandle ihn, du unendlicher Geist! wandle den |
| Wurm wieder in seine Hundsgestalt, wie er sich oft naechtlicherweile gefiel, |
| vor mir herzutrotten, dem harmlosen Wandrer vor die Fuess zu kollern und |
| sich dem niederstuerzenden auf die Schultern zu haengen. Wandl' ihn wieder in |
| seine Lieblingsbildung, dasser vor mir im Sand auf dem Bauch krieche ich |
| ihn mit Fuessn trete, den Verworfnen!- "Die erste nicht!"- Jammer! Jammer! |
| von keiner Menschenseele zu fassen, dassmehr als ein Geschoepf in die Tiefe |
| dieses Elendes versank, dassnicht das erste genugtat fuer die Schuld aller |
| uebrigen in seiner windenden Todesnot vor den Augen des ewig Verzeihenden! |
| Mir wuehlt es Mark und Leben durch, das Elend dieser einzigen- du grinsest |
| gelassen ueber das Schicksal von Tausenden hin! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Nun sind wir schon wieder an der Grenze unsres Witzes, da, wo euch Menschen |
| der Sinn ueberschnappt. Warum machst du Gemeinschaft mit uns wenn du sie |
| nicht durchfuehren kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht |
| sicher? Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns? |
| |
| FAUST: |
| Fletsche deine gefraessgen Zaehne mir nicht so entgegen! Mir ekelt's!- |
| Grossr, herrlicher Geist, der du mir zu erscheinen wuerdigtest, der du mein |
| Herz kennest und meine Seele, warum an den Schandgesellen mich schmieden, |
| der sich am Schaden weidet und am Verderben sich letzt? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Endigst du? |
| |
| FAUST: |
| Rette sie! oder weh dir! Den graessichsten Fluch ueber dich auf Jahrtausende! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich kann die Bande des Raechers nicht loesen, seine Riegel nicht oeffnen.- |
| "Rette sie!"- Wer war's, der sie ins Verderben stuerzte? Ich oder du? |
| (Faust blickt wild umher.) |
| Greifst du nach dem Donner? Wohl, dasser euch elenden Sterblichen nicht |
| gegeben ward! Den unschuldig Entgegnenden zu zerschmettern, das ist so |
| Tyrannenart, sich in Verlegenheiten Luft zu machen. |
| |
| FAUST: |
| Bringe mich hin! Sie soll frei sein! |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Und die Gefahr, der du dich aussetzest? Wisse, noch liegt auf der Stadt |
| Blutschuld von deiner Hand. ueber des Erschlagenen Staette schweben raechende |
| Geister und lauern auf den wiederkehrenden Moerder. |
| |
| FAUST: |
| Noch das von dir? Mord und Tod einer Welt ueber dich Ungeheuer! Fuehre mich |
| hin, sag ich, und befrei sie. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Ich fuehre dich, und was ich tun kann, hoere! Habe ich alle Macht im Himmel |
| und auf Erden? Des Tuerners Sinne will ich umnebeln, bemaechtige dich der |
| Schluessel und fuehre sie heraus mit Menschenhand! Ich wache, die |
| Zauberpferde sind bereit, ich entfuehre euch. Das vermag ich. |
| |
| FAUST: |
| Auf und davon! |
| |
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| |
| Nacht, offen Feld |
| |
| Faust, Mephistopheles, auf schwarzen Pferden daherbrausend. |
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| |
| FAUST: |
| Was weben die dort um den Rabenstein? |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Weissnicht, was sie kochen und schaffen. |
| |
| FAUST: |
| Schweben auf, schweben ab, neigen sich, beugen sich. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Eine Hexenzunft. |
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| FAUST: |
| Sie streuen und weihen. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Vorbei! Vorbei! |
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| Kerker |
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| Faust mit einem Bund Schluessel und einer Lampe, vor einem eisernen Tuerchen. |
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| Mich fass ein laengst entwohnter Schauer, |
| Der Menschheit ganzer Jammer fass mich an |
| Hier wohnt sie hinter dieser feuchten Mauer |
| Und ihr Verbrechen war ein guter Wahn |
| Du zauderst, zu ihr zu gehen! |
| Du fuerchtest, sie wiederzusehen! |
| Fort! dein Zagen zoegert den Tod heran. |
| (Er ergreift das Schloss Es singt inwendig.) |
| Meine Mutter, die Hur |
| Die mich umgebracht hat! |
| Mein Vater, der Schelm |
| Der mich gessen hat! |
| Mein Schwesterlein klein |
| Hub auf die Bein |
| An einem kuehlen Ort; |
| Da ward ich ein schoenes Waldvoegelein; |
| Fliege fort, fliege fort! |
| FAUST (aufschliessnd): |
| Sie ahnet nicht, dassder Geliebte lauscht, |
| Die Ketten klirren hoert, das Stroh, das rauscht. |
| (Er tritt ein.) |
| |
| MARGARETE (sich auf dem Lager verbergend): |
| Weh! Weh! Sie kommen. Bittrer Tod! |
| |
| FAUST (leise): |
| Still! Still! ich komme, dich zu befreien. |
| |
| MARGARETE (sich vor ihn hinwaelzend): |
| Bist du ein Mensch, so fuehle meine Not. |
| |
| FAUST: |
| Du wirst die Waechter aus dem Schlafe schreien! |
| (Er fass die Ketten, sie aufzuschliessn.) |
| |
| MARGARETE (auf den Knien): |
| Wer hat dir Henker diese Macht |
| ueber mich gegeben! |
| Du holst mich schon um Mitternacht. |
| Erbarme dich und lassmich leben! |
| |
| Ist's morgen frueh nicht zeitig genung? |
| (Sie steht auf.) |
| Bin ich doch noch so jung, so jung! |
| Und soll schon sterben! |
| Schoen war ich auch, und das war mein Verderben. |
| Nah war der Freund, nun ist er weit; |
| Zerrissen liegt der Kranz, die Blumen zerstreut. |
| Fasse mich nicht so gewaltsam an! |
| Schone mich! Was hab ich dir getan? |
| Lassmich nicht vergebens flehen, |
| Hab ich dich doch mein Tage nicht gesehen! |
| |
| FAUST: |
| Werd ich den Jammer ueberstehen! |
| |
| MARGARETE: |
| Ich bin nun ganz in deiner Macht. |
| Lassmich nur erst das Kind noch traenken. |
| Ich herzt es diese ganze Nacht; |
| Sie nahmen mir's, um mich zu kraenken, |
| Und sagen nun, ich haett es umgebracht. |
| Und niemals werd ich wieder froh.. |
| Sie singen Lieder auf mich! Es ist boes von den Leuten! |
| Ein altes Maerchen endigt so, |
| Wer heiss sie's deuten? |
| |
| FAUST (wirft sich nieder): |
| Ein Liebender liegt dir zu Fuessn, |
| Die Jammerknechtschaft aufzuschliessn. |
| |
| MARGARETE (wirft sich zu ihm): |
| O lassuns knien, die Heil'gen anzurufen! |
| Sieh! unter diesen Stufen, |
| Unter der Schwelle |
| Siedet die Hoelle! |
| Der Boese, |
| Mit furchtbarem Grimme, |
| Macht ein Getoese! |
| |
| FAUST (lacht): |
| Gretchen! Gretchen! |
| |
| MARGARETE (aufmerksam): |
| Das war des Freundes Stimme! |
| (Sie springt auf. Die Ketten fallen ab.) |
| Wo ist er? ich hab ihn rufen hoeren. |
| Ich bin frei! mir soll niemand wehren. |
| An seinen Hals will ich fliegen, |
| An seinem Busen liegen! |
| Er rief Gretchen! Er stand auf der Schwelle. |
| Mitten durchs Heulen und Klappen der Hoelle, |
| Durch den grimmigen, teuflischen Hohn |
| Erkannt ich den suessn, den liebenden Ton. |
| |
| FAUST: |
| Ich bin's! |
| |
| MARGARETE: |
| Du bist's! O sag es noch einmal! |
| (Ihn fassend.) |
| Er ist's! Er ist's! Wohin ist alle Qual? |
| Wohin die Angst des Kerkers? der Ketten? |
| Du bist's! Kommst, mich zu retten. |
| Ich bin gerettet! |
| Schon ist die Strass wieder da |
| Auf der ich dich zum ersten Male sah |
| Und der heitere Garten' |
| Wo ich und Marthe deiner warten |
| |
| FAUST (fortstrebend): |
| Komm mit! Komm mit! |
| |
| MARGARETE: |
| O weile Weil ich doch so gern, wo du weilest. |
| (Liebkosend.) |
| |
| FAUST: |
| Eile! |
| Wenn du nicht eilest |
| Werden wir's teuer buessn muessen. |
| |
| MARGARETE: |
| Wie? du kannst nicht mehr kuessen? |
| Mein Freund, so kurz von mir entfernt |
| Und hast's Kuessen verlernt? |
| Warum wird mir an deinem Halse so bang? |
| Wenn sonst von deinen Worten, deinen Blicken |
| Ein ganzer Himmel mich ueberdrang |
| Und du mich kuessest, als wolltest du mich ersticken. |
| Kuesse mich! |
| Sonst kuessich dich! (Sie umfass ihn.) |
| O weh! deine Lippen sind kalt, |
| Sind stumm. |
| Wo ist dein Lieben |
| Geblieben? |
| Wer brachte mich drum? (Sie wendet sich von ihm.) |
| |
| FAUST: |
| Komm! Folge mir! Liebchen, fasse Mut! |
| Ich herze dich mit tausendfacher Glut |
| Nur folge mir! Ich bitte dich nur dies! |
| |
| MARGARETE (zu ihm gewendet): |
| Und bist du's denn? Und bist du's auch gewiss |
| |
| FAUST: |
| Ich bin's! Komm mit! |
| |
| MARGARETE: |
| Du machst die Fesseln los, Nimmst wieder mich in deinen Schoss |
| Wie kommt es, dassdu dich vor mir nicht scheust? |
| Und weiss du denn, mein Freund, wen du befreist? |
| |
| FAUST: |
| Komm! komm! schon weicht die tiefe Nacht. |
| |
| MARGARETE: |
| Meine Mutter hab ich umgebracht, |
| Mein Kind hab ich ertraenkt. |
| War es nicht dir und mir geschenkt? |
| Dir auch.- Du bist's! ich glaub es kaum. |
| Gib deine Hand! Es ist kein Traum! |
| Deine liebe Hand!- Ach, aber sie ist feucht! |
| Wische sie ab! Wie mich deucht, |
| Ist Blut dran. |
| Ach Gott! was hast du getan! |
| Stecke den Degen ein, |
| Ich bitte dich drum! |
| FAUST: |
| Lassdas Vergangne vergangen sein, |
| Du bringst mich um. |
| |
| MARGARETE: |
| Nein, du muss uebrigbleiben! |
| Ich will dir die Graeber beschreiben, |
| Fuer die muss du sorgen |
| Gleich morgen; |
| Der Mutter den besten Platz geben, |
| Meinen Bruder sogleich darneben, |
| Mich ein wenig beiseit', |
| Nur nicht gar zu weit! |
| Und das Kleine mir an die rechte Brust. |
| Niemand wird sonst bei mir liegen!- |
| Mich an deine Seite zu schmiegen, |
| Das war ein suesss, ein holdes Glueck! |
| Aber es will mir nicht mehr gelingen; |
| Mir ist's, als muess ich mich zu dir zwingen, |
| Als stiessst du mich von dir zurueck; |
| Und doch bist du's und blickst so gut, so fromm. |
| |
| FAUST: |
| Fuehlst du, dassich es bin, so komm! |
| |
| MARGARETE: |
| Dahinaus? |
| |
| FAUST: |
| Ins Freie. |
| |
| MARGARETE: |
| Ist das Grab drauss Lauert der Tod, so komm! |
| Von hier ins ewige Ruhebett |
| Und weiter keinen Schritt |
| Du gehst nun fort? O Heinrich, koennt ich mit! |
| |
| FAUST: |
| Du kannst! So wolle nur! Die Tuer steht offen! |
| |
| MARGARETE: |
| Ich darf nicht fort; fuer mich ist nichts zu hoffen. |
| Was hilft es, fliehn? Sie lauern doch mir auf. |
| Es ist so elend, betteln zu muessen |
| Und noch dazu mit boesem Gewissen! |
| Es ist so elend, in der Fremde schweifen |
| Und sie werden mich doch ergreifen! |
| |
| FAUST: |
| Ich bleibe bei dir |
| |
| MARGARETE: |
| Geschwind! Geschwind! |
| Rette dein armes Kind! |
| Fort! immer den Weg |
| Am Bach hinauf, |
| ueber den Steg, |
| In den Wald hinein, |
| Links, wo die Planke steht, |
| Im Teich. |
| Fasses nur gleich! |
| Es will sich heben, |
| Es zappelt noch! |
| Rette! rette! |
| |
| FAUST: |
| Besinne dich doch! |
| Nur einen Schritt, so bist du frei! |
| |
| MARGARETE: |
| Waeren wir nur den Berg vorbei! |
| Da sitzt meine Mutter auf einem Stein, |
| Es fass mich kalt beim Schopfe! |
| Da sitzt meine Mutter auf einem Stein |
| Und wackelt mit dem Kopfe |
| Sie winkt nicht, sie nickt nicht, der Kopf ist ihr schwer, |
| Sie schlief so lange, sie wacht nicht mehr. |
| Sie schlief, damit wir uns freuten. |
| Es waren glueckliche Zeiten! |
| |
| FAUST: |
| Hilft hier kein Flehen, hilft kein Sagen, |
| So wag ich's, dich hinwegzutragen. |
| |
| MARGARETE: |
| Lassmich! Nein, ich leide keine Gewalt! |
| Fasse mich nicht so moerderisch an! |
| Sonst hab ich dir ja alles zulieb getan. |
| |
| FAUST: |
| Der Tag graut! Liebchen! Liebchen! |
| |
| MARGARETE: |
| Tag! Ja, es wird Tag! der letzte Tag dringt herein; |
| Mein Hochzeittag sollt es sein! |
| Sag niemand, dassdu schon bei Gretchen warst. |
| Weh meinem Kranze! |
| Es ist eben geschehn! |
| Wir werden uns wiedersehn; |
| Aber nicht beim Tanze. |
| Die Menge draengt sich, man hoert sie nicht. |
| Der Platz, die Gassen |
| Koennen sie nicht fassen. |
| Die Glocke ruft, das Staebchen bricht. |
| Wie sie mich binden und packen! |
| Zum Blutstuhl bin ich schon entrueckt. |
| Schon zuckt nach jedem Nacken |
| Die Schaerfe, die nach meinem zueckt. |
| Stumm liegt die Welt wie das Grab! |
| |
| FAUST: |
| O waer ich nie geboren! |
| |
| MEPHISTOPHELES (erscheint draussn): |
| Auf! oder ihr seid verloren. |
| Unnuetzes Zagen! Zaudern und Plaudern! |
| Mein Pferde schaudern, |
| Der Morgen daemmert auf. |
| |
| MARGARETE: |
| Was steigt aus dem Boden herauf? |
| Der! der! Schick ihn fort! |
| Was will der an dem heiligen Ort? |
| Er will mich! |
| |
| FAUST: |
| Du sollst leben! |
| |
| MARGARETE: |
| Gericht Gottes! dir hab ich mich uebergeben! |
| |
| MEPHISTOPHELES (zu Faust): |
| Komm! komm! Ich lasse dich mit ihr im Stich. |
| |
| MARGARETE: |
| Dein bin ich, Vater! Rette mich! |
| Ihr Engel! Ihr heiligen Scharen, |
| Lagert euch umher, mich zu bewahren! |
| Heinrich! Mir graut's vor dir. |
| |
| MEPHISTOPHELES: |
| Sie ist gerichtet! |
| |
| STIMME (von oben): |
| Ist gerettet! |
| |
| MEPHISTOPHELES (zu Faust): |
| Her zu mir! |
| (Verschwindet mit Faust.) |
| |
| STIMME (von innen, verhallend): |
| Heinrich! Heinrich! |